Das 10. Forum Ecoparc in Neuchâtel wurde in Zusammenarbeit mit der Online-Plattform modulart.ch durchgeführt. Ziel der Veranstaltung war, einen Überblick über die verschiedenen Systemansätze zu gewinnen, die aktuell im Bereich der modularen Architektur erarbeitet werden. Im Fokus standen auch die Herausforderungen, die aus der Energiewende und den weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen im 21. Jahrhundert resultieren.

Forum Ecoparc Auditorium

Bild: Thalie Rossetti

Emmanuel Rey, Kathrin Merz, Nicole Decker, Marie-Paule Thomas und Thomas Jusselme

Dimitri Toubanos, Pascal Gontier, Fabien Coquillat, Raffael Graf, Matthias Armengaud und Guillaume Pujol

Bilder: Thalie Rossetti

Zwischen den eher langsam verlaufenden Erneuerungszyklen in der Baukultur und den immer schnelleren soziokulturellen und technologischen Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten tut sich eine Kluft auf. Zusätzlich wird diese verstärkt durch die mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen. Dabei zeigt sich deutlich, dass sich die Gesellschaft im Wandel befindet und auf der Suche nach neuen Perspektiven für Nachhaltigkeit ist. Für einen Lichtblick könnte vor diesem Hintergrund die modulare Architektur sorgen. Das hier verfolgte Denken in Systemen birgt wirtschaftliche und ökologische Vorteile – sowohl in der Planungsphase als auch beim Bauen selbst sowie im Rahmen der Nutzung, des Rückbaus und der Wiederverwendung der Bauelemente.

Für die Ausgabe 2019 hat sich das Forum Ecoparc mit der Online-Plattform modulart.ch zusammengetan, die sich als Labor für modulares Denken versteht und von der Architektin Kathrin Merz im Rahmen der Veranstaltung kurz vorgestellt wurde. Das Forum Ecoparc und seine neue Präsidentin, Nicole Decker, haben Forscherinnen, Architekten, Stadtplanerinnen, Ingenieure, private Investoren und Verantwortliche von Gemeinwesen eingeladen, sich über die Herausforderungen und Lösungen eines modularen Ansatzes für offene Bauweisen im Sinne einer besser erweiterbaren und stärker modulierbaren Planung von Gebäuden zu informieren. Zu bedenken ist, dass die modulare Architektur eine umso vielversprechendere Perspektive bietet, da sie zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Planungsprozesses die Aspekte Anpassungsfähigkeit, Nachhaltigkeit und bauliche Qualität einbezieht. Das legten verschiedene Referentinnen und Referenten dar, insbesondere Prof. Emmanuel Rey, Direktor des Labors für Architektur und nachhaltige Technologien (LAST) an der EPFL und Partner des Architekturbüros Bauart in Bern, Neuchâtel und Zürich.

Gemäss Soziologin und Stadtplanerin Dr. Marie-Paule Thomas ist es wichtig, die Sichtweise der immer individualistischer werdenden Nutzerinnen und Nutzer zu verstehen, um die heutige Stadt besser konzipieren und planen zu können. Gerade in einem von Agilität, Flexibilität und Reversibilität geprägten Umfeld sollten angepasste und anpassungsfähige Architekturprojekte entstehen.

Prof. (ETH) Thomas Jusselme, Professor an der HTA-FR und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH in Freiburg, legte den Akzent auf die drängenden Klimafragen und die notwendige Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Bausektor. Er erachtet es als zentral, die Umweltauswirkungen von den ersten Schritten des Planungsprozesses an zu berücksichtigen und die Erfordernisse und Möglichkeiten des modularen Bauens zu nutzen, um den CO2-Abdruck der Gebäude zu verringern.

Der Architekt, Stadtplaner und Forscher Dr. Dimitri Toubanos skizzierte eine neue Herangehensweise für eine nachhaltige Architektur, bei der die modulare und erweiterbare Konzeption eine nicht unerhebliche Rolle spielen könnte. Darüber hinaus schlug er einen breiter gefassten Ansatz der Modularität auf städtebaulicher Ebene vor, um ihr Potenzial im Rahmen der Raumplanung zu nutzen.

Prof. Pascal Gontier, Architekt in Paris und Professor an der École nationale supérieure d’architecture in Nantes, präsentierte die Ergebnisse seiner Suche nach einer städtebaulichen Alternative zum Einfamilienhaus in Stadtrandgebieten oder  im ländlichen Raum. Seine Methode Bespoken Open Building (BOB) ermöglichte ein neues Modell von Wohnanlagen aus massgeschneiderten Wohneinheiten und basierend auf modularen Bauelementen.

Raffael Graf, Partner von Bauart Architekten und Planer in Bern, Neuchâtel und Zürich, lieferte einen Überblick über verschiedene Konzepte und gebaute Projekte, insbesondere für Bildungsinstitutionen. Mit Verweis auf den Prototyp «Modular-T» aus dem Jahr 1993, die Entwicklung des Swisswoodhouse sowie die Schulpavillons «Modular Zug» von 2011 pries er das Denken in Systemen als Lösung für Gebäude mit temporärer Nutzung an, die je nach Bedarf an neue Standorte versetzt werden können.

Der Architekt und Stadtplaner Matthias Armengaud von AWP Architectes aus Paris spricht lieber von veränderlicher Architektur und von Landschaftsumgestaltung. Den ökologischen Wandel betrachtet er aus Perspektive des urbanen Metabolismus und verortet die Modularität innerhalb der technischen Vernetzungen, die das künftige Stadtgefüge werden redimensionieren müssen und die Wohnformen direkt beeinflussen werden.

Der Architekt Guillaume Pujol, von PPA Architectures aus Toulouse stellte ein Projekt für 50 Sozialwohnungen im Rahmen der Neugestaltung eines Wohnstandorts im Norden von Toulouse vor. Er hob die hervorragende architektonische Qualität eines solchen modularen Bauens bei begrenztem Budget hervor und betonte zugleich, dass das systematische, modulare Denken ökologische und soziale Vorteile bietet. So lasse sich eine kostengünstige, qualitativ gute und speziell an den Kontext angepasste modulare Architektur schaffen.

Prof. Emmanuel Rey schloss das Forum ab, indem er die Vielfalt der vorgestellten innovativen Ansätze lobte und auf das erhebliche Potenzial der modularen Architektur hinwies: Sie verbinde die Prinzipien des Denkens in Systemen mit Methoden des integrierten Designs, digitalen Techniken der Vorfertigung und der Nutzung der lokalen Ressourcen. Die modulare Architektur scheint somit durchaus in der Lage zu sein, neue Formen des Bauens entstehen zu lassen, die gleichzeitig Antworten auf die Herausforderungen der Nachhaltigkeit und der architektonischen Qualität liefern können.

Unter dem Titel Vers une architecture modulaire? Bâtir en systèmes pour une société en transition, wurden die Beiträge zum 10. Forum Ecoparc 2019 in einem Spezialheft der Fachzeitschrift Tracés zusammengefasst und veröffentlicht.

Literaturtipp

Architekt Pascal Gontier präsentiert in seinem Buch «HOME – L’Habitat Ouvert et sur Mesure» ein Tool für die Entwicklung eines modularen und flexiblen Mehrfamilienhauses.

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3 Kommentare

  1. Joachim Hussing

    Dies war ein interessanter Artikel über modulare Architektur. Mein Bruder denkt darüber nach, einen Architekten zu engagieren. Ich werde ihn über diesen Artikel und die darin enthaltenen Informationen über Architekten informieren.

    • Kathrin Merz

      Vielen Dank!

  2. Hannes Bartschneider

    Ich möchte einen Architekten für meinen Hausbau engagieren. Auch ich glaube, dass der Bezug zur Gesellschaft sehr nah ist. Die individualistischen Nutzer und Menschen die bauen möchten, werden bestimmt den Markt und auch den Beruf des Architekten beeinflussen.

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