Ob als dreigeschossige Kuben oder spielerisch versetzt gestapelt: Die 162 bunten Module auf dem östlichen Areal des Projekts «Fogo» in Zürich-Altstetten bilden ein stimmiges Ensemble, in dem sich Flüchtlinge in ihren Wohnungen genauso wohl fühlen sollen wie Kunstschaffende und Gewerbetreibende in ihren Ateliers.
Bild: Emilbau.
«Ein Dach über dem Kopf und möglichst gute Integrationsmöglichkeiten», das waren die grundsätzlichen Vorgaben, die das Zürcher Büro Hoffmann Fontana Architekturen für die Planung einer temporären Wohnsiedlung für Flüchtlinge erhielt. Im Auftrag der Asylorganisation Zürich (AOZ) sollten die Architekten auf der Nordseite des Bahnhofs Altstetten, vis-à-vis des Vulkanplatzes, Unterkünfte für rund 150 Asylsuchende realisieren. So leicht, wie die Vorgaben tönen, war die Aufgabe aber nicht. Nur schon die Lage des Areals stellte eine Herausforderung dar: Die umliegenden Bürohochhäuser wirken einengend, genauso wie die verkehrsreichen Strassen auf drei Seiten des Areals. Um den Lärmvorschriften für Wohnbauten gerecht zu werden, wäre deshalb eine gut neun Meter hohe Schallschutzwand nötig gewesen.
Geschickt verschachtelt
Das war jedoch keine Option für die Planer – eine solche Wand hätte den einengenden Charakter noch hervorgehoben. Dank einem längeren Prozess, mit zahlreichen Workshops und intensiven Diskussionen, wurde die passende Lösung gefunden: Um die Wohnsiedlung soll sich eine hufeisenförmige Mantelnutzung aus neuen Holzmodulen ziehen, mit weniger schallsensiblen Nutzungen: Kultur, Kunst, Gewerbe und Gastronomie. Während die Bauten für die Mantelnutzung neu erstellt wurden, kamen die Wohnmodule aus der im Jahr 2010 realisierten und schweizweit ersten temporären Siedlung für Asylsuchende im Stadtteil Leutschenbach. Gerade einmal drei Tage hat der Umzug der neunzig Metallcontainer aus dem Norden Zürichs nach Altstetten in Anspruch genommen. Viel aufwendiger waren dafür die inneren Anpassungen der Module, diese dauerten rund drei Wochen und weitere zwei Monate die Instandstellung und Inbetriebnahme. Dazu gehörte beispielsweise die Elimination einer Schwachstelle: Die dünnen, schlecht entwässerten Containerdächer neigten zum Durchrosten. Also wurden auf den jeweils dreistöckigen Modulensembles separate Dächer mit innerer Entwässerung angebracht. Erschlossen werden die Gebäude durch neue Treppentürme aus Metall und Holz. Die Einheiten bieten Platz für sechs bis zehn Migranten. Ihnen stehen neben Dusche/WC und einem gemeinsamen Wohn-/Essbereich mit Küche jeweils ein Zimmer für zwei Personen zur Verfügung.
Die 72 Holzmodule für den Lärmschutzmantel wurden von der Kifa AG in Aadorf vorproduziert und aufgestellt. Bis auf den Gemeinschaftsraum, der zwei Etagen hoch sowie stützenlos ist und als Elementbau erstellt wurde. Während die Module der Wohncontainer zusammen einen Kubus bilden, sind jene der Mantelnutzung versetzt gestapelt. Diese Verschachtelung hat nicht nur einen optisch spannenden Effekt, sondern spielt auch Flächen frei. Ausgerüstet mit Holzterrassen dienen sie den Nutzern als attraktiver Aussenraum. Bei der Ausstattung der neuen Module hat das Architekturbüro nach dem Prinzip «design to cost» geplant: So verfügen nicht alle Einheiten über einen Wasseranschluss, und in den Toiletten gibt es nur Kaltwasser. Nach diesem Prinzip wurde die ganze Arealüberbauung geplant – weshalb sich die Gesamtkosten dafür auch nur auf acht Millionen Franken belaufen – inklusive Zügeln der Container und Aufräumen des Areals im Stadtteil Leutschenbach.
Bunt und lebendig
Orange, beige, crème, gelb die Metallcontainer und blau, grün, rot, silbern die Holzmodule – so farbig wie sich die Siedlung optisch präsentiert, so bunt werden sich auch die Bewohner und Nutzer zusammensetzen, wenn das Areal voraussichtlich im Spätsommer 2019 vollständig bezogen ist: Flüchtlinge aus allen Ecken der Welt, Grafikerinnen, IT-Experten, Tanztherapeutinnen, Sprachlehrer und Quartierbewohner als Besucher. Die begrünten Flächen zwischen den Modulbauten mit Sitzmöbeln aus Beton, die grosszügigen Holzterrassen, der Spielplatz mit langer Röhrenrutsche und Kletterwand sowie die beiden Gastronomieangebote bieten viele Möglichkeiten für Begegnungen untereinander und damit auch für eine leichtere Integration der Flüchtlinge.
Das Areal gehört zwar zur Baulandreserve der Stadt Zürich, wurde aber für 20 Jahre von der AOZ gemietet. Nach Ablauf dieser Frist könnte die Siedlung wieder gezügelt werden – zumindest die Holzmodule. Für die alten Metallcontainer hingegen würde sich ein erneuter Umzug wohl nicht mehr lohnen. Aber etwas länger dort stehen bleiben, das könnten sie. Deshalb fänden es die Architekten durchaus schön, wenn das Projekt nach Ablauf der zwanzig Jahre vielleicht noch etwas verlängert werden könnte.
Bilder: Hoffmann Fontana Architekturen
Bilder: Emilblau.
FOGO «AREAL WEST»
Direkt neben dem oben beschriebenen Areal wurden im Rahmen des Projekts «Fogo» bereits Anfang 2019 Modulbauten fertig gestellt, die 33 Wohnungen für Flüchtlinge und Studierende beinhalten. Modulart hat darüber bereits berichtet.
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