Der Berner Westen gehört den Grands Ensembles. Ihr Bau setzte in den 1960er-Jahre neue städtebauliche Massstäbe. Auf die Wohnkolosse folgten zügig Schulen und Kindergärten, und was die Planung zu wenig vorgesehen hatte, glichen hochwertige Provisorien aus – so auch in Bern-Brünnen. Heute formiert sich das Schulensemble neu, doch sein Pioniergeist bleibt.
Bilder: Bauart Architekten und Planer AG
Auf einer übrigen Parzelle zwischen dem historischen Brünnengut und einer Gruppe beschaulicher Einfamilienhäuser siedelte sich 1967 die Pavillonschule Brünnen an. Drei erdgeschossige Bauten reihte man rigid in parallele Zeilen. Wenig später kam zur Entlastung der Schule im Tscharnergut eine Kleinturnhalle dazu. Nach zehn Jahren zügelten zwei weitere Variel-Pavillons von der nahen Waldmannstrasse auf das Areal, und einer wurde zusätzlich neu gebaut. Ein Schulhof war entstanden, Bäume wuchsen und zahlreiche kleinere Veränderungen an den Bauten erzählten von der Aneignung durch ihre Nutzerschaft. Was zur Überbrückung gedacht war, war ein Ensemble mit fünfzig Jahren Schulgeschichte geworden. Ihre Fortsetzung findet sie nun in der Erneuerung der Anlage.
Variel, eine fertige Lösung
Die Brünnen-Pavillons waren Pionierbauten. Für ihre Erstellung hatte die Stadt die Zuger Elcon AG engagiert. Sie brachte dreimal neun fertig ausgebaute Raumzellen des Modulsystems Variel auf die Baustelle und montierte sie dort auf den vor Ort erstellten Betonfundamenten. Variel war nicht nur ein industriell vorgefertigtes Raummodul, sondern wurde als umfassende Lösung angeboten: Als transportable Module liessen sich Variels gut als Provisorien bewilligen, ihre Standardisierung hielt die Planungs- und Produktionszeit kurz. Als Generalunternehmung koordinierte Elcon dabei alles, von der Planung bis zur Ausführung.
Variel-Raumzellen passten nicht nur genau auf einen Laster, sondern waren in ihren Abmessungen bewusst für Schulzwecke ausgelegt: aus der Raumhöhe von drei Metern und einer Raumgrösse von gut 70 Quadratmetern ergaben drei Module einen Klassenraum. Besonders die neunteilige Zwei-Klassen-Pavillonschule, wie sie in Brünnen mehrfach stand, war bei wachsenden Gemeinden beliebt. Mit eigener Eingangshalle, WCs, Heizung und Materialraum war sie unabhängig nutzbar. Elcon und weitere Zweigunternehmen vermarkteten sie in den 1960er – und 1970er Jahren als Typenschule; bis heute ist sie über die Schweiz verteilt an mehreren Orten anzutreffen.
Bausysteme für die wachsende Stadt
Eins wurde in Brünnen auch deutlich: Variel ist nicht gleich Variel. Der Architekt und Entwickler der Raumzelle, Fritz Stucky, hatte sie zusammen mit dem Bauingenieur Angelo de Berti innerhalb einiger Jahre mehrfach konstruktiv weiterentwickelt. So waren mit dem Stahl-Beton-Modul des Programms 63 und der Beton-Standard-Ausführung zwei der drei Variel-Generationen auf dem Areal vertreten. Das System bot Variationsmöglichkeiten in Gebäudeform und Fassadenmaterialien. Dennoch blieb das strukturbetonte Äussere stets gleich: Ob in Stahl oder Beton setzt sich der sichtbare konstruktive Rahmen deutlich von den Füllelementen ab und macht die plastische Wirkung der Fassade zu einem typischen Merkmal aller Variel-Bauten.
Mit ihrer sichtbar gefügten Durisol-Ausfachung und dem 3-Meter-Raster ihrer Stahlskelettkonstruktion erzählt auch die Kleinturnhalle in Brünnen von der seriellen Fertigung ihrer Bauteile. Sie kam aus der Fabrik der Durisol AG in Villmergen. Gemäss dem Pioniercharakter der Anlage sollte auch sie demontiert und bei Bedarf an einen anderen Standort versetzt werden können.
Ein neues Ensemble formiert sich
Heute, knapp fünfzig Jahren später, steht die robuste Halle immer noch am selben Ort. Nach der aktuellen Instandsetzung wird sie weiterhin für den Schulsport gebraucht. Die Variels hingegen ersetzte man Anfang des Jahres durch Neubauten. Dennoch ist der Pioniergeist der Brünnen-Pavillons nicht verschwunden: Im Westen wächst Bern weiter und mit seinen Quartieren die Unwägbarkeiten im Bedarf an Schulraum. Für die vorgesehenen Klassen am Standort hat die Stadt deshalb erneut Modulbauten bestellt. Die drei zweigeschossigen Bauten erstellte der Holzbauunternehmer Blumer-Lehmann in Zusammenarbeit mit Bauart Architekten. Entstanden ist ein städtebaulich integriertes Ensemble, das sich um einen gemeinsamen Hof gruppiert und sich durch Wegverbindungen mit dem Quartier vernetzt.
Pläne: Denkmalpflege Stadt Bern
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