Wie überall in Europa wird auch in spanischen Grossstädten der Wohnraum seit Jahren knapper und teurer. Die Stadt Barcelona stellt wohnungslos gewordenen Menschen kurzfristig Unterkünfte in ihrem ehemaligen Wohnquartier zur Verfügung. Ein erstes Gebäude mit aufeinandergestapelten Containern hat Straddle3 in der Nähe der Rambla erstellt.
Fotos: Adrià Goula
Typisch, könnte denken, wer über den 2019 erstellen Neubau im gotischen Viertel von Barcelona liest. Menschen, die wohnungslos geworden sind, stellt die Stadt Barcelona kurzfristigen Wohnraum zur Verfügung: in ausgedienten Containern! Dass Bauten aus Containern aber nicht gleichzusetzen sind mit Tristesse und Beengtheit, hat das Modulart-Team schon öfter dargelegt. Doch wer an der Carrer Nou de Sant Francesc 8 vorbeispaziert, wird Mühe haben, die Container überhaupt zu entdecken. Die 16 Schiffstransportkisten, die auf vier Ebenen zu zwölf Wohnungen zusammengestellt worden sind, sind mit einer vorgehängten Fassade aus Polycarbonat-Platten verkleidet. Am Tag bringt die helle, durchscheinende Hülle das Volumen zum Leuchten, während in der Nacht das Licht aus den Wohnungen die Strasse erhellt, ohne aber die Privatsphäre der Bewohnenden preiszugeben. Acht Containern verwandelten die Architekten in je 30 Quadratmeter grosse 1-Zimmer-Wohnungen für Singles und Paare; die anderen acht Container paaren sich zu kleinen 2-Zimmer-Wohnungen für Familien. Der Wohnraum kommt übergangsweise Menschen zugute, die im gleichen Quartier ihre Wohnung verloren haben.
Dank der Wiederverwendung von Containern konnte der Abfall um 58 Prozent und der CO2-Ausstoss um 32 Prozent reduziert werden.
Mit dem Programm Aprop will die Stadt Barcelona verhindern, dass Bewohnerinnen und Bewohner aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden und dabei ihr soziales Netzwerk verlieren. Aprop steht für «Alojamientos de Proximidad Provisionales», zu deutsch: provisorische Unterkünfte in der Nähe. Sie kommen auf Land zu stehen, dass die Stadt längerfristig für öffentliche Einrichtungen reserviert hat. So befindet sich im Erdgeschoss, das dank Stützen und Trägern des Traggerüsts einen offenen Grundriss hat, aktuell eine Gesundheitsstation.
Erfolgreiche ähnliche Projekte in Amsterdam, Kopenhagen und Vancouver hatten die Verwaltung zu diesem Vorgehen motiviert. In den nächsten Jahren sollen auf den Prototyp weitere Gebäude in anderen Quartieren folgen. Anfang 2022 starteten die Arbeiten für ein zweites solches Haus mit 42 Wohnungen im Stadtteil Glòries.
Schnell erstellt, günstig, mobil
Auch im Innern der Wohnungen stellt sich das typische Container-Feeling nicht ein, denn die Blechwände wurden an beiden Fronten und bei den grösseren Wohnungen auch längsseitig durch raumhohe Fensteröffnungen perforiert, was auch das Querlüften möglich macht. Im Nordwesten gehen die Fenster zum kleinen Hof, wo sich Treppenturm, Aufzug und Laubengänge befinden; auf der gegenüberliegenden Seite blicken die Bewohnerinnen von schmalen Loggien zwischen beiden Fassadenschichten auf eine kleine, tagsüber bevölkerte Plaza. Die Container wurden in drei Monaten in der Werkstatt ertüchtigt und mit allem Nötigen wie Isolation, Heizung und Sanitärzubehör ausgerüstet. So konnten sie in nur zwei Tagen auf die vorgängig betonierte Plattform und die darauf errichtete Tragstruktur aus Stahl montiert werden. Mittels dem Twistlock-System, das auch auf Schiffen zum Einsatz kommt, sind die Container miteinander und mit der Tragstruktur verbunden. Die Blechwände sind aussen so gut isoliert – mit wetterfesten Gipskarton- und Metall-Sandwichplatten –, dass der Energieverbrauch im Vergleich zu konventionellen Gebäuden vier- bis sechsmal tiefer liegt. Dank der Wiederverwendung von ausrangierten Containern konnte der Abfall um 58 Prozent und der CO2-Ausstoss um 32 Prozent reduziert werden. Gekostet hat das Ganze weniger als eine Million Euro. Würde das Gebäude im Bezirk Ciutat Vella dereinst nicht mehr gebraucht, liesse es sich einfach abbauen und an einem anderen Ort wieder aufstellen.
Plâne und Bilder: Straddle3
Projektdaten
Aprop Prototyp, Ciutat Vella, Barcelona, 2019
Bauherrschaft: Stadtverwaltung Barcelona, Sozialdepartement
Architektur: David Juarez (Straddle3), Jon Begiristain (Eulia Arkitektura), Yaiza Terré (Yaiza Terré Estudi d’Arquitectura)
Mitarbeit: Oihana García, Paula Kobeaga, Ibai Lamarca, Pere Estevez
Konstruktion: UTE Constècnia+Eurocatalana
Kosten: 940 000 Euro
Kommentar:
Ein eindrückliches Projekt, das auch vielen Schweizer Städten gut anstünde. Einzig das benötigte Stück Land zu finden, könnte angesichts der Bodenpreise eine Herausforderung sein.
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