Mit ihrem sechsgeschossigen Holzelementbau in Cornellà im Grossraum Barcelona setzen Peris + Toral Arquitectes einen neuen Standard im nachhaltigen, sozialen Wohnungsbau. Das Büro erhielt 2024 für dieses Projekt den internationalen Preis des  Royal Institute of British Architects (RIBA).

[1-3] Das Haus wird über einen Platz im Nordwesten erschlossen. Die auskragenden Obergeschosse bilden ein schützendes Vordach aus. [4] Grossflächige Gitter dienen als Brüstung und Kletterhilfen für die vertikale Begrünung. [4] Hinter den überhängenden Holzlamellen-Rollos kann die Luft zirkulieren. Im Sommer reflektieren sie die steil einfallenden Sonnenstrahlen. [6-9] Jede Wohnung hat Öffnungen zum Hof und zur Strasse: Ideal zum Querlüften und für die Belichtung der Räume.

Fotos: Jose Hevia

Mit ihrem Konzept verweisen die Architekten auf das traditionelle japanische Haus, dessen Zimmergrössen auf dem Tatamimatten-Modul von 3,6 mal 3,6 Metern basieren.

In einem Meer von grauen und braunen Wohnblöcken aus den 1960er-Jahren steht der kompakte, lichte Neubau von Peris+Toral Arquitectes. «Modulus Matrix» ist einer der ersten Zeugen des Transformationsprozesses im Quartier Sant Ildefons in Cornellà, den das Metropolitane Institut für Landentwicklung und Grundstücksverwaltung (IMPSOL) vor einigen Jahren angestossen hat. Die das Quartier prägenden Bauten aus den 1960ern waren im Rahmen eines sozialen Wohnungsbauprogramms entstanden, um der wachsenden Bevölkerung in der Region von Barcelona ein Zuhause bieten. Cornellà liegt rund 15 Kilometer südlich der Provinzhauptstadt. Die Wohnblöcke boten einfache, funktionale Wohnungen für die Arbeiterklasse. Bei den heutigen Projekten stehen vermehrt Vorgaben wie nachhaltiges Bauen, soziale Integration, flexible Wohnformen, Grünräume und Gemeinschaftsflächen im Vordergrund.

Aus dem Innern entwickelt
«Der Grundriss wirkt auf den ersten Blick wie ein Labyrinth», sagt Architekt José Toral über sein Projekt. Erst bei genauerem Hinsehen werde klar, wie man sich in diesem Gebäude bewege: von der Strasse in den Hof, über die Treppenhäuser in den Ecken zu den Laubengängen vor den Wohnungen. Die privaten Balkone befinden sich auf der Aussenseite des Hauses.

Pro Geschoss finden 17 Wohnungen mit 4,5, 6 oder 7 Raummodulen Platz, die je rund 13 Quadratmeter messen. Ihr Konzept verweist auf das traditionelle japanische Haus, dessen Zimmergrössen auf dem Tatamimatten-Modul von 3,6 mal 3,6 Metern basieren.

Mit ihrer Architektur wollen Peris+Toral nichts weniger als einen sozialen Wandel anstossen: «Der soziale Wohnungsbau hat das Potenzial dazu», sagt Büropartnerin Marta Peris. Die Küche sei nicht länger ein peripherer Serviceraum, sondern befinde sich im Zentrum der Wohnung. Wer dort kocht, steht in Verbindung mit den restlichen Bewohnern. Kindern wachsen mit diesem Selbstverständnis auf. «Auch das Medienverhalten hat die Wohnnutzung verändert», ergänzt José Toral. «Nicht mehr das Wohnzimmer ist der wichtigste Raum, sondern die Privatsphäre, in der ich mein eigenes Gerät ungestört nutzen kann.» Auch das rechtfertigt die gleich grossen Zimmer, die somit flexibel nutzbar sind.

Helle, lichte Atmosphäre
Auch wenn die Wohnungen nicht gross sind – eine Einheit mit sechs Raum-Modulen misst 78 Quadratmeter –, wirken sie geräumig. Dies gelingt zum einen mit dem Kunstgriff, keinen Quadratmeter an einen Gang zu verschwenden. Jedes Zimmer ist mit den angrenzenden über zwei breite Öffnungen verbunden. Auch das ein Konzept aus der traditionellen japanischen Architektur. Zum anderen schaffen gerade diese Durchblicke eine offene, helle Atmosphäre.

«Was mir beim ersten Besuch am meisten gefiel, war das Licht», sagt denn auch eine Bewohnerin im Interview. Sie lebt mit ihrem Mann und dem gemeinsamen Baby in einer der 85 Wohnungen.

Der fünfgeschossige Holzelementbau wurde in nur zwei Monaten auf dem aus Beton bestehenden Erdgeschoss errichtet. Dass die fünf oberen Geschosse ausschliesslich aus Holz gefertigt sind, passt zur Aufbruchstimmung im Quartier Sant Ildefons. «Mit Holz zu bauen, war lange Zeit eher unüblich», sagt José Toral. Nun werde es allmählich zum Standard. Es gebe in Spanien inzwischen zwei grosse Holzbauunternehmen und viele kleinere. Man baue hier aber mit Kiefernholz, nicht mit Fichte. So bleibe der mediterrane Ausdruck erhalten. Auch die Treppenhäuser sind aus Kiefernholz gefertigt, allerdings mit verstärkten Elementen, um die Brandschutzvorgaben zu erfüllen. 

Passives Free-Cooling
Auf dem Dach sind Solarmodule installiert, wie es in Spanien seit Längerem gesetzlich vorgeschrieben ist. Der damit gewonnene Strom wird so weit möglich im Haus verbraucht, der Rest eingespeist. Eine Wärmepumpe sorgt im Winterhalbjahr für geheizte Räume. «Eigentlich hätten wir das Haus gerne nur mit passiver Solarenergienutzung gebaut», erzählt José Toral, doch die Bauherrschaft war skeptisch. Bei einem gemeinsamen Folgeprojekt können sie nun ihren ursprünglichen Plan doch noch umsetzen und auf eine Heizung verzichten. Dagegen kommen die Wohnungen im Modulus Matrix dank altem Wissen und kluger Planung ohne Klimaanlagen aus. Die auf der Vorderseite des Gebäudes auskragenden Obergeschosse bilden einen überdachten Eingangsbereich. Von dort wird die kühlere Luft durch den schmalen Hofeingang gesogen und entweicht entlang der Innenfassaden nach oben. Da alle Wohnungen durchgesteckt sind, lassen sie sich querlüften. Denn bewegte Luft kühlt. Passives Free-Cooling heisst die Methode, die lokal vorhandene Ressourcen wie den Schatten von Bäumen, den Wind und die Thermik nutzt. Auch der organische Sonnenschutz, der im Innenhof und an der Gebäudeaussenseite die Gitternetze hochwächst, kühlt die Luft. Rolljalousien, die über die Brüstungen hängen, reflektieren im Sommer die steil einfallenden Sonnenstrahlen. Dahinter kann die Luft zirkulieren.  Der Innenhof dient gleichermassen als Begegnungsort wie als Zwischenraum zwischen Stadt und Privatsphäre. Da er mit 15 mal 25 Metern relativ klein bemessen ist, soll dereinst viel Grün seine Akustik verbessern. Doch schon heute, so die Architekten, schätzten die Bewohnerinnen und Bewohner den Hof als friedliche Oase im umtriebigen Quartier Sant Ildefons.

Fotos: Jose Hevia

«Mit Holz zu bauen, war lange Zeit eher unüblich», sagt José Toral. Nun werde es allmählich zum Standard. Es gebe in Spanien inzwischen zwei grosse Holzbauunternehmen und viele kleinere. Man baue hier aber mit Kiefernholz, nicht mit Fichte. So bleibe der mediterrane Ausdruck erhalten. Auch die Treppenhäuser sind aus Kiefernholz gefertigt, allerdings mit verstärkten Elementen, um die Brandschutzvorgaben zu erfüllen. 

Modulus Matrix. Sozialer Wohnungsbau, 2021
Avenida de la República Argentina, 21, Cornellà

Bauherrschaft: IMPSOL, Städtisches Institut für Landentwicklung, Barcelona
Architektur: Peris + Toral Arquitectes, Barcelona; Marta Peris, José Toral
Bauleitung: Joan March i Raurell
Umweltberatung: Societat Orgànica
Auftragsart: Wettbewerb, 2017

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