Die Tatami-Matte, die in traditionellen japanischen Räumen als Bodenbelag verwendet wird, diente Julius Taminiau Architects als Inspiration für ein Hausprojekt der besonderen Art. Zu bewundern ist es mitten in einem «schwimmenden Dorf» in Amsterdam.

Fotos: Norbert Wunderling

Die japanische Kultur und Architektur hat mich schon seit jeher inspiriert. So finde ich es absolut faszinierend, wie stark sich die Moderne an die japanische Architektur anlehnt, etwa an die kaiserliche Villa Katsura. Sieht und erlebt man solche Orte, hat man das Gefühl, dass alles zusammenhängt und deshalb auch sehr harmonisch und schön wirkt. Genau dies wollte ich auch in unserem Haus umsetzen.

Julius Taminiau, Architekt

Tatami-Matten als Leitfaden

Als Leitfaden für die Innenproportionen des Hauses, das Taminiau für seine Familie baute, dienten ihm traditionelle japanische Tatamis. Ein Tatami ist eine Matte, die in traditionellen japanischen Räumen als Bodenplatte verwendet wird. Tatamis werden in Standardgrössen hergestellt, doppelt so lang wie breit, je nach Region etwa 0,9 mal 1,8 Meter gross. Und gerade, weil ihre Abmessungen standardisiert sind, werden sie oft für modulare Raumaufteilungen verwendet. Dazu gibt es klare Regeln für die Anzahl der Tatami-Matten und ihre Anordnung in einem Raum. In der Edo-Periode unterschied man zum Beispiel zwischen «glücksverheissenden» und «ungünstigen» Tatami-Anordnungen und ordnete die Tatami je nach Anlass neu an. In der modernen Praxis wird meist die «glücksverheissende» Anordnung verwendet. Dabei bilden die Verbindungsstellen der Tatami die Form eines Ts; bei der «ungünstigen» Anordnung bilden die Verbindungsstellen die Form eines «+». Eine günstige Verlegung erfordert oft auch halbe Matten, um einen Raum zu verfliesen.

Tatamis haben ähnliche Proportionen wie Standard-Sperrholzplatten – entsprechend setzten die Architekten im gesamten Projekt auf solche Platten. Und weil Taminiau das Tatami-Raster konsequent durchgezogen hat, konnten stets ganze Platten verwendet werden – was auch den Abfall reduzierte und die Kosten tief hielt.

Auf die Tatami-Matten wird dabei nicht nur im Innern des Hauses Bezug genommen – so sind die Spannweiten der Fussböden mit den maximalen Holzspannweiten verbunden –, sondern auch die Aussenverkleidung nimmt sie auf: Und zwar erinnern die rechteckigen Flächen auf subtile Weise an die Anordnung von Fischschuppen. Die dunklen, glänzenden Oberflächen der Paneele widerspiegeln aber auch den Farbton und die reflektierende Qualität des Wassers.

Modulare Elemente

Das Tatami-Haus hat zwei Geschosse, von denen eines teilweise unterhalb der Wasserlinie liegt. Das Hauptschlafzimmer mit eigenem Bad und zwei kleinere Schlafzimmer befinden sich auf der unteren Ebene, die Hauptwohnbereiche darüber. Auf einer Seite des Eingangs liegt ausserdem ein Raum mit doppelter Höhe, den Taminiau unter der Woche als Büro nutzt. An den Wochenenden lässt sich der Raum bei Bedarf in ein Gästezimmer umwandeln.

Die Inneneinrichtung ist auf eine minimale Zirkulation ausgelegt, damit jeder Raum optimal genutzt werden kann. In den Wänden und in den Räumen unter der Treppe sind Stauräume und Serviceeinrichtungen untergebracht, während in einer Kücheninsel aus Beton zusätzliche Sitzgelegenheiten integriert sind. Eine offene Treppe zwischen Wohnzimmer und Küche führt zur Dachterrasse, die zur Hälfte mit Photovoltaik-Paneelen belegt ist.

Taminiaus Familie kann direkt aus dem Fenster ins Wasser springen und schwimmen, und Taminiau hat sogar schon Fische vom Haus aus gefangen. Wasservögel wie Schwäne und Enten schwimmen nahe an den Fenstern im unteren Stockwerk vorbei.

Auf die Frage nach dem Vorteil dieses Gesamtsystems lacht Taminiau und sagt: «Er besteht sicher darin, dass die Proportionen der Räume, der Verkleidung und der Baumaterialien miteinander in Beziehung stehen. Wichtig war uns auch der geringe Materialverbrauch und die tiefen Kosten.» Und sein Lieblingsraum? «Natürlich mein Büro! Durch die doppelte Höhe und eine flexible Aufteilung fühlt es sich besonders geräumig an. Ausserdem bietet es Platz für eine Hängebrücke, die zu einem erhöhten Besprechungsbereich führt – einfach unschlagbar!»

Das Beste an unserem Haus ist das Gefühl, dass die Räume mit der umgebenden Natur verbunden sind. Das verstärkt sich, weil wir im gesamten Innenraum Holz verwenden.

Julius Taminiau, Architekt

PROJEKTDATEN

Tatami Haus, Amsterdam, 2017
Bauherr und Architekt: Julius Taminiau Architects, Amsterdam

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