Die Herausforderung in Frankfurt war klar: Gefragt waren Räume für vierhundert Schüler – und zwar innerhalb von drei Monaten. Das Büro NKBAK entwickelte einen Modulbau, der architektonisch weit mehr ist als eine Notversorgung.

Seit 2002 existiert in Frankfurt am Main eine Europäische Schule, die vor allem Kinder von Mitarbeitenden der Europäischen Zentralbank aufnimmt. Länger schon hatte die im Stadtteil Niederrad gelegene Schule ein Platzproblem; spätestens aber seit die Politik den Währungshütern auch die Verantwortung für die neue Europäische Bankenaufsicht übertrug – was zu rund 1‘000 zusätzlichen Mitarbeitenden bei der EZB führte – platzte sie aus allen Nähten.

Bilder: Thomas Meier (1), Norman Radon (2-5)

Konzept mit vorgefertigten Holzmodulen

Geplant war zunächst eine Containerschule, ein temporärer Bau, in dem die Kinder lernen und spielen können. Die Architekten konnten sich mit dieser Idee jedoch nicht anfreunden und entwickelten stattdessen ein Konzept mit Holzmodulen, das ebenfalls in sehr kurzer Bauzeit und mit hohem Vorfertigungsgrad realisiert werden konnte. So erhielt der Erweiterungsbau ein ganz anderes Gesicht. Offiziell ist der Neubau für nur fünf Jahre genehmigt, denn die Stadt will sich die Option einer Umfahrungsstrasse an dieser Stelle offen halten. Ob diese jemals realisiert wird, ist allerdings fraglich, denn dafür müsste auch das Hauptgebäude der Schule abgerissen werden.

Eine Schule muss her – so schnell wie möglich

Weil so viel Tempo gefragt war, erlaubten es das Stadtschulamt, welches als Bauherr auftrat, wie auch das Hochbauamt, das die Projektleitung übernahm, die Architektenleistung für einmal direkt zu vergeben; sprich: ohne EU-weite Ausschreibung oder gar einen Wettbewerb. Die Wahl fiel auf das ortsansässige Büro NKBAK von Nicole Kerstin Berganski und Andreas Krawczyk – die beiden hatten einige Jahre bei einem Büro in Tokio gearbeitet und vermochten wichtiges Know-how und Erfahrung im Umgang mit ähnlichen Herausforderungen nachzuweisen. Die Anfrage an das Büro kam dann im Dezember 2013: «Können Sie uns bis zum Ende der Osterferien 2015 eine «Containerschule» für 400 Schüler planen und bauen?»

Die Schule entsteht in der Steiermark

Die Architekten führten eine Machbarkeitsstudie durch und regten an, ein bisschen mehr tun, als einfach nur Container zu stapeln – nämlich ein richtiges Gebäude aus Fertigteilen – hölzernen Raummodulen – zu bauen. Im April 2014 stand der Entwurf. Das anschliessende Vergabeverfahren für die Leistung des Generalunternehmers entschied Kaufmann Bausysteme aus Reuthe in Vorarlberg für sich. Die Firma ist eine ausgewiesene Vorreiterin im Holzmodulbau – ein für die Qualität des Gebäudes kaum zu unterschätzender Umstand.

So ist die Erweiterung der Europäischen Schule in Frankfurt zum überwiegenden Teil in einer Werkhalle in der Steiermark gebaut worden; 98 hölzerne Raummodule für 17 Klassenzimmer, für Sanitärräume und Treppenhäuser, fix und fertig, mit Wänden, Decken und Fenstern, Sanitärobjekten, Heizkörpern, Elektroverkabelung.

Die 630 Kilometer an den Main legten die Module mit dem LKW zurück; was auch das Mass der maximalen Modulbreite vorgab: drei Meter – LKW-Transporte mit noch grösserer Überbreite sind aufwendig und teuer. Als günstige Modulgrösse ergaben sich dabei 3 x 9 Meter: Jedes der rund 75 Quadratmeter grossen, quadratischen Klassenzimmer besteht aus drei solcher Module; aus zwei Randelementen mit je einer Seitenlängswand aus Brettsperrholz und einem freitragenden Unterzug aus Baubuche sowie einem mittleren Element mit zwei Unterzügen ohne Wand. Aus diesem Mass resultiert auch die luxuriöse Breite des Flurs, den sich die Kinder umgehend als Spielfläche zu eigen gemacht haben. Nebenräume, Treppenhäuser und Sanitärbereiche sind jeweils nur ein Modul gross.

Auf dem Bauplatz in Frankfurt wurden die Module auf einer Beton-Bodenplatte nur noch neben- und aufeinandergestapelt. «Nur noch» trifft die Sache allerdings nicht ganz – das Ganze war eine logistische Meisterleistung, mussten die 98 LKW-Fuhren in den dreieinhalb Wochen, die die Montage dauerte, doch unbedingt in der richtigen Reihenfolge auf der Baustelle eintreffen.

Mehr als ein temporärer Bau

Wie ein temporärer Bau wirkt der Neubau nicht, was auch dem grossen Engagement der beauftragten Holzbaufirma geschuldet ist. Sie hat die Leitdetails entsprechend der gestalterischen Oberleitung der Architekten perfekt umgesetzt. Aussen wie innen sind die einzelnen Module erkennbar, dominieren aber nicht. An den Decken zeichnen sie sich als Unterzug ab, während die Vertikalstösse geschlossen wurden, sodass sie Stützen optisch verschmelzen. Zusätzlich wird verhindert, dass Kinder ihre Finger in der Fuge einklemmen. Den Fassaden verleihen die Module eine klare und konsequente Ordnung: Trapezblech bekleidet die geschlossen Seiten, Aluminium und Glas die Fensterfronten. Die als Halbfertigteil ausgeführten Flure sind komplett verglast. Statt dogmatisch an der Vorfertigungsidee festzuhalten, wurde genau abgewogen, welche Bauteile in welchem Grad vorgefertigt werden sollten. Am deutlichsten zeigt sich das am Bewegungsraum, dessen Spannweite von 12 Metern mit Holzmodulen nicht sinnvoll zu realisieren gewesen wäre. Darum kamen hier Stahlträger zum Einsatz.

Eine technische Neuerung war die Verwendung von statisch hoch leistungsfähigem Buchenfurnierschichtholz. Seine sichtbar belassene, geschichtete Oberfläche passt gut zu den weiss lasierten Nadelholzoberflächen der Trennwände, die den idealen Hintergrund für die farbigen, mit Reisszwecken befestigten Kinderbilder darstellen. Akustikdecken geben einen dezenten Hinweis auf die temporäre Nutzung, die in den grossen Klassenzimmern mit seinen raumhohen Fenstern aber überhaupt nicht spürbar ist.

Geschwindigkeit macht den Unterschied

Gemäss dem Architekten und Fachbereichsleiter des Hochbauamtes der Stadt Frankfurt am Main, Harald Heusser, ist der holzbasierte 3D-Modulbau die eindeutig schnellste Bauweise. Zu dieser Erkenntnis kam er, nachdem er die verschiedenen Bauweisen der Stadt in den vergangenen 25 Jahren miteinander verglichen hat; darunter den Mauerwerksbau, den Stahlbetonskelettbau, den Stahlmodul- sowie den Holztafelbau oder auch die Holzhybridbauweise. So hätte allein die Baudurchführung der Europäischen Schule in einer konventionellen Bauweise etwa 16 Monate gedauert, wo die holzbasierte 3D-Modulbauweise nur die Hälfte der Bauzeit benötigte – und das inklusive Gründung mit Bodenplatte.

Eine technische Neuerung war die Verwendung von statisch hoch leistungsfähigem Buchenfurnierschichtholz

Die Architekten führten eine Machbarkeitsstudie durch und regten an, ein bisschen mehr tun, als einfach nur Container zu stapeln, nämlich ein richtiges Gebäude aus fertigteilen – hölzernen Raummodulen – zu bauen

Bilder: Thomas Mayer, Norman Radon

NKBAK, FRANKFURT AM MAIN

Das 2007 in Frankfurt am Main von Nicole Kerstin Berganski und Andreas Krawczyk gegründete Büro erfuhr 2015 europaweit Aufmerksamkeit mit der Erweiterung der Europäischen Schule Frankfurt, einer Holzkonstruktion aus Raummodulen. Auch mit Wohnen auf engem Raum kennen sich Berganski und Krawczyk aus: Beide haben einige Jahre bei Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa/SANAA in Tokyo gearbeitet.
WWW.NKBAK.DE

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