Ein Ärztehaus in Burkina Faso soll den Austausch zwischen Fachärzten und Ärzten vor Ort zu fördern. Es ergänzt das Gesundheitszentrum in Léo, im Süden von Burkina Faso. Gebaut hat beide Anlagen der Lehmbau-Experte und Prizker-Preis-Träger 2022 Diébédo Francis Kéré.

Bilder: Andrea Maretto

Über Ärztemangel wurde in letzter Zeit viel geschrieben. Meist ist damit die Lage in Europa gemeint. Dass in Burkina Faso im Jahr 2019 nur gerade knapp ein Arzt oder eine Ärztin (0,9) für die medizinische Versorgung von 10 000 Einwohnern zuständig ist, können sich die meisten Menschen hierzulande gar nicht vorstellen. Bei uns kommen 4,5 Ärztinnen und Ärzte auf 1000 Einwohner.

Mit dem Ziel, die Gesundheitsversorgung in Burkina Faso zu verbessern, wurde der gemeinnützige Verein «Operieren in Afrika e. V.» ins Leben gerufen. 2014 eröffnete er in Léo, der Hauptstadt der Provinz Sissili im Süden des Landes, ein Gesundheitszentrum. Mit dem Bau hatte der Verein den renommierten Architekten Diébédo Francis Kéré beauftragt. Mit chirurgischen Einrichtungen, einer stationären Abteilung und einer Entbindungsstation entlastet das Gesundheitszentrum Léo seither das bestehende Distriktkrankenhaus.
Da der Verein aber auch den Austausch zwischen Fachärzten und Ärzten vor Ort fördern wollte, liess er die Anlage vier Jahre später um ein Ärztehaus erweitern.

Wie das Gesundheitszentrum, ist auch das Ärztehaus mit modularen Einheiten konzipiert – aus Kostengründen und um den Bauprozess zu beschleunigen.

Die fünf Module des Doctors’ Housing gruppieren sich um einen gemeinsamen Innenhof. Jedes Modul umfasst ein Apartment mit Schlaf- und Wohnecke, kleiner privater Terrasse und einem Aussenbereich sowie – ein seltener Luxus in dieser Region – eigener Dusche und Toilette. Im Hof befindet sich eine gemeinschaftlich nutzbare Infrastruktur: Garten, Küche und Essbereich sowie Sanitäranlagen.

Traditionelle Methode neu gedacht

Dass Stampflehm beim Gesundheitszentrum wie auch beim Ärztehaus eine wichtige Rolle spielt, ist nicht erstaunlich. Lehm zählt zu den traditionellen Baumaterialien in Burkina Faso. Allerdings hatte er früher keinen guten Ruf: In der Regenzeit wurden die Lehmwände der traditionellen Hütten oft aufgeweicht und mussten neu gebaut werden. Dass sich dieses Bild in den Köpfen der Einheimischen langsam zu verändern beginnt, ist Diébédo Francis Kéré zu verdanken.

In Burkina Faso geboren und in Deutschland ausgebildet, versteht es der Architekt, die Erfahrungen und das Wissen aus beiden Kontinenten zusammenzuführen. Schon zu Beginn seiner Karriere war Kéré überzeugt, dass sich Afrika eine energie- und ressourcenintensiven Bauweise wie in Europa weder finanziell noch ökologisch leisten kann. Lehm als natürlich vorhandenes Material ist nicht nur günstig, sondern auch umweltfreundlich. Lehmwände bieten zudem genug thermische Masse, um Hitze zu absorbieren.

Kéré suchte deshalb nach neuen Techniken für das traditionelle Material mit dem Ziel, das zeitgemässe Potenzial der Lehmbauweise aufzuzeigen. Dies gelang ihm erstmals 2001 mit einer Schule in seinem Heimatdorf Gando.

In den zwei Dekaden seit diesem ersten Erfolg haben er und sein Team viel Lehmbauwissen angesammelt. Viele Projekte des Berliner Büros sind mit Stampflehmsteinen gebaut, die direkt vor Ort hergestellt und mit strukturellen Elementen aus Stahlbeton kombiniert werden. Bereits seit 2011 tüftelt das Büro an einer Mischung aus Lehm, Gesteinskörnern und minimalen Mengen von Zement.

Die Konstruktion des Doctors’ Housing besteht aus einer zweischaligen Wand aus Beton und Stampflehmsteinen. Diese Doppelschicht erhöht nicht nur die Stabilität, sondern hat auch genug thermische Masse, um die Innenräume kühl zu halten. Aussen schützt farbiger Putz vor Witterungseinflüssen; so bilden die ockerfarbigen Module eine Einheit und einen klaren Kontrast zum tiefen Blau des Himmels.

Decke und Dach entflechten

Seit seinem ersten Projekt in Gando hat Kéré Architecture auch verschiedene Lüftungs- und Kühlungsmethoden entwickelt, die ein Airconditioning unnötig machen. Das Prinzip heisst: Dach und Decke entflechten. Lücken oder Löcher in der Raumdecke lassen warme Luft nach oben entweichen. Ein leicht abgehobenes Dach schützt die Raumdecke vor Sonne und Regen und erlaubt es der Luft, zwischen den beiden Schichten frei zu fliessen.

Beim Doctors’ Housing ist die Innendecke als Einzelgewölbe aus Stampflehmsteinen ausgeführt, dessen Enden zur Belüftung und Tageslichtversorgung offen bleiben. Das abgehobene Dach aus Wellblech ist leicht geneigt, sodass das Regenwasser in ein Wasserreservoir fliessen kann. In einer Region, in der es nur drei Monate im Jahr regnet, ist die Wassersammlung und -bewirtschaftung zentral für die Gesundheit und das Wohlergehen der lokalen Bevölkerung sowie der Umwelt.

Eine Mauer trennt das Doctors’ Housing von der restlichen Anlage ab und bietet den Ärztinnen und Ärzten, die die Module bewohnen, einen privaten Rückzugsort. Ein System von kleinen Teichen absorbiert und speichert Regenwasser: Es wird zur Bewässerung und Wasserrückgewinnung genutzt, hat aber auch einen kühlenden Effekt auf den Aussenbereich. Während schmucke Seerosen die Verdunstung reduzieren, fressen Fische im Teich die Larven von Mücken und anderen krankheitsübertragenden Insekten.

Kéré Architecture arbeitet stets mit einem Team lokaler Arbeiter zusammen und schult sie in innovativen Baumethoden. So können die erworbenen Fähigkeiten auf künftigen Baustellen Anwendung finden sowie die wirtschaftliche Entwicklung und nachhaltige Baupraktiken in der Region gefördert werden.

Projektdaten

Doctors’ Housing, Léo, Burkina Faso, 2018
Bauherrschaft: Operieren in Afrika e. V.  
Architektur: Kéré Architecture, Diébédo Francis Kéré; Design Team: Jaime Herraiz Martínez, Diego Sologuren Martin; Mitarbeit: Andrea Maretto, Dominique Mayer, Laura Bornet, Valeria Molinari
Bauleitung: Association Dolai, Diébédo Francis Kéré, Nataniel Sawadogo
Landschaftsarchitektur: Kéré Architecture
Fläche: 950 m2

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