Zwar ist die Schulraumplanung für Gymnasien einfacher als etwa jene für die Volksschule – aber vor Überraschungen ist man auch dort nicht sicher. Deshalb mussten etwa die Prognosen für die Entwicklung der Mittelschülerzahlen im Kanton Zürich bis 2027 nach oben korrigiert werden.
Bilder: Hochbauamt Kanton Zürich, Mark Röthlisberger
Und dann stürmten plötzlich die Frauen die Gymnasien – der Schulraum wurde knapp. Dabei könnte man meinen, dass die Planung der Kapazitäten von Kantonsschulen eigentlich ganz einfach sein sollte: Man schaut sich die Geburtenzahlen an und kann sich anhand von Erfahrungswerten ausrechnen, wie viele Schülerinnen und Schüler frühestens in zwölf Jahren in eine Mittelschule wechseln werden. Ganz so simpel ist es dann aber doch nicht: Die Gesellschaft verändert sich, und auch vor Überraschungen ist man selbstverständlich nicht gefeit. Wie etwa in den 1970er-Jahren: Als Folge der fortschrittlichen 68er-Bewegung wagten damals viel mehr Mädchen den Übertritt in die Gymnasien. In Urdorf im Kanton Zürich beispielsweise musste die Kantonsschule Limmattal zusätzliche Baracken aufstellen, um für die Jugendlichen den nötigen Platz zu schaffen.
Eine Überraschung erlebten die Statistiker erneut im Jahr 2015 – als sie einen Fehler in ihren Berechnungen aus dem Jahr 2013 bemerkten. Sie hatten zwar richtig antizipiert, dass die Zuwanderung aus dem Ausland rückläufig sein wird und dafür jene aus anderen Kantonen zunimmt. «Zu lange wurde aber nicht erkannt, dass sich bei den Geburtenraten eine Veränderung vollzog», sagt Wolfgang Annighöfer. Er ist Leiter der Finanz- und Bauabteilung der Bildungsdirektion des Kantons Zürich und damit auch für die Schulraumplanung zuständig. Was die Statistiker laut Annighöfer übersehen hatten: Gerade bei Schweizer Familien sei ein drittes oder gar viertes Kind zu haben, wieder zu einem Statussymbol geworden. Also mussten die Prognosen korrigiert werden: Bis zum Jahr 2027 ist demgemäss, nicht wie zuerst angenommen mit 3000, sondern mit rund 5000 zusätzlichen Mittelschülern im Kanton Zürich zu rechnen.
Zwischenlösungen und Reserven
Es gilt also in den nächsten acht Jahren Raum für gut 5000 zusätzliche Mittelschüler zu erstellen. Das ist eine Herausforderung. «Weil wir kaum über eigenes Land verfügen, ist nur schon die Suche nach einem geeigneten Grundstück sehr aufwendig», sagt Annighöfer. Zusätzlich sei allenfalls noch eine Umzonung notwendig, und schliesslich müsse das Bauprojekt bis ins letzte Detail ausgearbeitet, den heutigen und künftigen pädagogischen Bedürfnissen angepasst und die Finanzierung geklärt werden. «Bis ein neues Schulhaus bezogen werden kann, rechnen wir mit mindestens zehn Jahren Vorlaufzeit.» Kein Wunder muss auch der Kanton sich in gewissen Fällen mit provisorischen Lösungen begnügen – etwa um längerfristige Engpässe zu beheben oder bei Sanierungen und Erweiterungen von Kantonsschulen.
Wie etwa in Uster, wo 2013 mit Modulbauten ein Pavillon-Campus erstellt wurde, der als Übergangslösung bis zum Bezug des Neubaus im Jahr 2019 dienen sollte. Weil aber jetzt schon klar ist, dass der Schulraum trotz Neubau knapp bleibt, möchte man das zweistöckige Stahlbaumodulsystem so weit möglich noch bis 2022 stehen lassen. Ein noch längeres Provisorium stellt die 2018 neu eröffnete Kantonsschule in Uetikon dar: Diese wurde ebenfalls im Modulbau erstellt (siehe auch Text Der Kantonsschul-Baukasten) und soll mindestens zehn Jahre bestehen – bis unten am See das definitive Schulhaus auf dem Areal der ehemaligen Chemiefabrik realisiert ist.
Egal ob moderne Modulbauten oder gemietete Container: Diese würde der Kanton immer nur als Zwischenlösungen ansehen, sagt Annighöfer. Deshalb habe man beispielsweise den provisorischen Bau in Uetikon auch bereits so ausgeschrieben: Qualitativ hochstehend und überall verwendbar mussten die Elemente sein. Auch sie sollen, wie die übrigen Container und Pavillons der Kantonsschulen, später als Reserve dienen, um andernorts, etwa während Sanierungen, wieder eingesetzt werden zu können. Wie möglicherweise bei der Kantonsschule Rämibühl in der Stadt Zürich. Inwieweit während deren kommenden Sanierung die Schülerinnen und Schüler in externe Gebäude oder Pavillons auf dem Campus ausweichen werden, ist derzeit aber noch offen. Werden es Pavillons sein, sollten die Behörden aufpassen, dass sich die Jugendlichen und Lehrpersonen dort nicht zu wohl fühlen. Ein solcher Umstand hat in der Vergangenheit auch schon zu Überraschungen in der Schulraumplanung gesorgt. Bevor das Neubauprojekt der Kantonsschule in Küsnacht realisiert werden konnte, wurde es drei Mal an der Urne abgeschmettert – weil die provisorischen Pavillons mit ihrem ganz eigenen Charme den Schülern, Lehrern und offensichtlich auch der Bevölkerung ans Herz gewachsen waren.
Bilder: Hochbauamt Kanton Zürich, Mark Röthlisberger
Weitere Informationen
Lesen Sie den Beitrag zur temporären Kantonsschule in Uetikon, ZH.
Weitere Infos zur Kantonsschule Uster finden Sie unter folgendem Link: Kantonsschule Uster
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