Innert zehn Monaten entstand in Frankfurt am Main ein provisorisches Gymnasium in Holzbauweise. Die 210 Module dafür wurden im aargauischen Stein beim Holzbauspezialisten Erne vorgefertigt und nach Deutschland gebracht.
Bilder: Raumwerk GmbH / Thomas Koculak
Der Transport der Module war aufgrund des hohen Schwerpunkts eine Herausforderung
Patrick Suter, Geschäftsleitung Gesamtleitungen Systembau & Modul-Technologie, Erne AG Holzbau
Grosses Kino für die Schüler des Gymnasiums Frankfurt Nord: Direkt vor den Fenstern ihrer Schulzimmer im Frankfurter Stadtteil Westhausen wuchs zwischen März und Oktober 2018 ein aus 210 Modulen bestehendes neues Schulhaus in die Höhe. Bereits seit 2016 steht auf dem Areal ein erster vorgefertigter Schulbau. Das jetzt realisierte Modulgebäude mit sechzig Klassenzimmern gehört zusammen mit der gleichzeitig entstandenen Mensa und einer Dreifachturnhalle zur zweiten Etappe. Falls nötig könnte das neue Schulhaus um einen weiteren Gebäudetrakt erweitert werden. Dass die Stadt Frankfurt auf modulare Bauten für ihre Gymnasien setzt, hat zwei Hauptgründe: Zum einen sahen sich die Verantwortlichen 2016 mit der Tatsache konfrontiert, dass die Zahl der Gymnasiasten innert fünf Jahren um zwanzig Prozent zulegen würde. Zum anderen war in der Vergangenheit mit dem Bau neuer Schulhäuser gezögert worden.
In dieser Situation suchte die Stadt Frankfurt mit einer Ausschreibung unter Architekturbüros nach einer provisorischen Lösung für das Gymnasium Frankfurt Nord. Favorisiert wurden Projekte aus Holz, denn diese haben bei Eltern, Schülern und Lehrern ein gutes Image. Das Rennen machte schliesslich der Vorschlag von Raumwerk Architekten aus Frankfurt und Spreen Architekten aus München. Er umfasst ein dreigeschossiges Schulhaus in Modulbauweise, das im Endausbau aus drei Gebäudeteilen besteht, von denen vorerst zwei realisiert wurden. Im Innern sind die beiden Gebäude, die jeweils an den Längsseiten aneinander docken, als Dreispänner mit Innenhöfen organisiert. Dadurch können die Schulzimmer den Aussenwänden entlang angeordnet werden. In der durch Höfe belichteten Mittelzone wiederum finden zusätzliche Räume sowie die Erschliessung Platz. Neben den Sanitärbereichen sind dort beispielsweise auch Gruppenarbeitszimmer angeordnet.
Die Ausschreibung für die Ausführung des Schulgebäudes gewann der Schweizer Holzbauer Erne aus Laufenburg AG. Nicht zuletzt, da er mit dem Suprafloor Ecoboost-Deckensystem eine Lösung für den von der Stadt Frankfurt geforderten sommerlichen Wärmeschutz bieten konnte. Das System besteht aus einer Holz-Beton-Verbunddecke. Diese kann mittels den darunter verlaufenden Leitungen thermisch aktiviert werden und dient so als Kälte- oder Wärmespeicher. «Der Einsatz dieser Deckenkonstruktion in Holzmodulbauten ist eine Novität und stellte uns deshalb vor besondere Herausforderungen», sagt Patrik Suter von der Erne-Geschäftsleitung. So musste aufgrund des engen Bauprogramms beispielsweise die technische Entwicklung des Systems in extrem kurzer Zeit erfolgen. Anspruchsvoll war auch der Transport der Module, deren Schwerpunkt sich aufgrund der Betondecke ganz oben befindet.
Die Bauzeit für das Modul-Schulhaus betrug rund zehn Monate. Ein Grossteil der Zeit wurde für die Vorbereitungsarbeiten vor Ort benötigt, etwa für die Erstellung der Fundamente. Die Vorfertigung der Module hingegen ging schnell vonstatten und erfolgte «just in time» im Erne-Werk in Stein AG. Pro Tag verliessen zwischen fünf und sieben Module die Hallen von Erne, wurden nach Frankfurt transportiert und dort sofort montiert. Die grössten Elemente wiegen 22 Tonnen und haben eine Länge von 18 Metern. «Dadurch konnte die Bauzeit stark reduziert werden», sagt Suter von Erne. Der Vorfertigungsgrad betrug rund siebzig Prozent. So wurden werkseitig bereits alle Wand- und Deckenoberflächen fertig gestellt, die Fenster eingebaut, die Fassade montiert und ein Grossteil der Abdichtungsarbeiten ausgeführt.
Die innere Gestaltung der Räume ist schlicht gehalten. Die hölzernen Wandoberflächen wurden belassen und nur weiss lasiert. Einzelne Wandbereiche erhielten ebenfalls aus Holz bestehende Schallschutzpaneele. Die Böden wurden mit Linoleum ausgelegt – grün im Bereich der Schulräume, dunkelgrau in den Räumen für die Lehrer und schwarz in den Korridoren. Die abgehängten Decken wiederum bestehen aus Lochblechen. Auch aussen gibt sich das Gebäude schlicht: Die Fassade besteht aus einer vertikalen Weisstannen-Schalung, die mit einem vorvergrauenden Anstrich behandelt wurde. Die schmalen und hohen Fenster rhythmisieren die Fassade und heben sich mit ihren Leibungen aus Chromstahlblech vom umgebenden Holz ab.
Im Herbst 2018 zogen die ersten Klassen mit rund 500 Schülern in die neuen Räume. Derzeit ist die Schule noch nicht voll ausgelastet, bald sollen hier aber rund 1500 Jugendliche zur Schule gehen. Und es könnten gemäss den Prognosen noch mehr werden. Dann müsste der dritte Klassenzimmertrakt ebenfalls erstellt werden. Wie lange der Modulbau im Frankfurter Norden stehen bleibt, ist derzeit noch unklar. Sobald der eigentlich geplante Neubau für das Gymnasium im rund sieben Kilometer entfernten Stadtteil Bonames realisiert ist, wird die Schule dorthin wechseln. Der Zeithorizont dafür ist aber noch offen. Je nach Bedarf bleibt der Modulbau danach aber stehen und kann von anderen Schulen mit Raumnot genutzt werden, oder er zieht an einen neuen Standort um – dafür sind die Module konstruktiv bereits ausgelegt.
Plan: ARGE Raumwerk & Spreen Architekten, München
Eine Holz-Beton-Verbunddecke sorgt für einen thermischen Ausgleich
Bilder: Raumwerk GmbH / Thomas Koculak
Produktion, Transport und Montage erfolgen „just in time“
Modulart kommentiert
Das Gymnasium Nord in Frankfurt beeindruckt schon alleine durch seine Ausmasse. Die überaus kurze Bauzeit von acht Monaten bedingte eine optimale Planung und Logistik, sei es im Werk, beim Transport oder auf der Baustelle vor Ort.
Wir konnten das Werk unseres Partners Erne in Stein während der Produktion der Module besuchen. Die Dimension der 18 Meter langen Module übertraf die für uns bekannten Modulmasse – deren Produktion im Werk zu sehen war beindruckend!
Die dreibündige Schulanlage mit ihrer unaufgeregten Materialisierung verfügt über ein einfaches Grundrisskonzept. Der mit Höfen und einer attraktiven zentralen Vertikalerschliessung durchsetzte Mittelbund führt zu interessanten räumlichen Bezügen.
Mehr Infos
Standort: Muckermannstrasse 1, Frankfurt am Main (D)
Bauherr: Stadt Frankfurt am Main
Bauzeit: 10 Monate (von März 2018 bis Oktober 2018)
Baukosten: 15 Mio. Euro (Modulgebäude, DIN KGR 300+400)
Geschossfläche: 8144 m2
Gebäudevolumen: 86 000 m3
Anzahl Module: 210
Maximales Modulformat: 18 m lang, 2,8 m breit, 3 m hoch
Gewicht eines Moduls: max. 22 t
Raumprogramm: 60 Schulzimmer, Gruppenarbeitsräume, Lehrerzimmer, Mediathek, Sekretariat
Technische Entwicklung und Realisierung der Module: Erne AG, Laufenburg
Planer Modulbau: ARGE Raumwerk & Spreen Architekten, Raumwerk Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung mbH, Frankfurt am Main und Spreen Architekten Partnerschaft mbB, München in enger Zusammenarbeit mit Erne AG, Laufenburg.
Schreiben Sie einen Kommentar
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.