Der moderne Holzbau stellt den konventionellen Bauprozess infrage. Dank digitaler Produktionstechnologien ist nicht nur konstruktiv sehr viel mehr möglich. Auch die Planungsstrukturen und die Kompetenzen aller Beteiligten müssen neu gedacht werden.

Denn durch die umfassende Vorfertigung ist es nötig, ausführungsrelevante Entscheide früher zu treffen. Deshalb müsse, so Architekt und Entwurfsprofessor Hermann Kaufmann im Gespräch mit den Herausgebern der vorliegenden Publikation, «die Abstimmung zwischen Holzbauunternehmen und Architekturbüro bereits im Entwurfsprozess erfolgen». Besonders interessant findet Kaufmann das in der Schweiz oft praktizierte Modell des Holzbauingenieurs, «das die Schnittstelle zwischen den Architektinnen und dem Unternehmer schliesst». Nach der grossen Versuchsphase der letzten Jahre müssten sich aber auch neue Standards etablieren und durchsetzen, entgegnet seine Gesprächspartnerin Katharina Lehmann, CEO und Inhaberin der Lehmann Gruppe. Da etwa Fragen des Brandschutzes ein öffentlich-rechtliches Thema seien, «können wir nicht bei jedem Bauwerk die gleichen Fragen lösen und wieder von vorne beginnen».

Diesen wichtigen Erkenntnissen und der Frage, wie ein moderner Holzbau idealerweise entsteht, widmet sich die Neuerscheinung «Architektur fertigen. Konstruktiver Holzelementbau». Mit rund 20 Texten, verfasst von namhaften Architektinnen, Holzbauingenieuren und Fachleuten aus dem Ausführungsbereich und der Forschung, richtet sich die Publikation an planende Architekten.

Dem Entwurfsprozess, der wie bereits erwähnt gestärkt und komplexer gedacht werden soll, ist das erste und längste Kapitel gewidmet. Es thematisiert die wesentlichen Bedingungen des Materials und erklärt die zentralen Zusammenhänge zwischen Fertigung, Entwurf und Planung.

Das Kapitel «Vorprojekt» zeigt die elementaren Schritte des Entwurfs und der maschinellen Fertigung der Holzsystembauweise auf. Besonders spannend sind die Ausführungen zu Holz-Holz-Verbindungen des Architekten und EPFL-Professors Yves Weinand. Er legt überzeugend dar, dass solche Verbindungen nicht nur komplexe geometrische Formen erzeugen oder Ansatzpunkte für neue architektonische Formen bieten können. Vielmehr gewährleisten sie auch einen schnellen, präzisen und vereinfachten Montageprozess und überwinden durch ihre frühe Einbindung in den Entwurf die Kluft zwischen entwerferisch-konzeptionellem und konstruktiv-technischem Prozess.

In den beiden Kapiteln «Bauprojekt» und «Ausblick» sind BIM sowie digitales Entwerfen und Produzieren zentrale Themen.

Ein auf die Umsetzung bezogenes Kapitel mit 16 gebauten Beispielen – darunter zu unserer Freude auch der Schulpavillon Züri-Modular – schliesst diese schön gestaltete und sorgfältig editierte Publikation ab. Neben den vielen gelungenen Fachbeiträgen wartet sie mit zwei besonderen Pluspunkten auf: anschaulichen, zum Teil eigens für die Publikation gezeichneten Grafiken, die die wichtigsten Aussagen visuell erklären, sowie eine Checkliste am Ende (fast) jedes Textbeitrags. Fazit: Diese Neuerscheinung gehört ins Buchregal von Architekten und Bauherrinnen, damit die Holzarchitektur ausdrucksstark, wirtschaftlich und zukunftsfähig bleibt. 

Bibliographie

«Architektur fertigen. Konstruktiver Holzelementbau», hrsg. von Mario Rinke und Martin Krammer, Triest Verlag, Zürich 2020, Fr. 68.– (erhältlich ab Dezember)

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