Im Sinn einer Nachverdichtung nutzt die junge MQ Real Estate GmbH Flachdächer und errichtet auf den obersten Decks bestehender Parkhäuser Hotels, Büros und mehr – und zwar in Modulbauweise.
Je knapper das Bauland und je höher die Immobilienpreise, desto ungewöhnlicher müssen die Ideen für neuen Wohn- und Geschäftsraum sein. Das gilt vor allem für Grossstädte, in denen es zunehmend enger wird und wo entsprechend kreative Architektur- und Design-Konzepte gefragt sind. Ein gutes Beispiel dafür ist das «Skypark»-Hotelkonzept von MQ Real Estate GmbH. Unter dem Motto «Wir fangen dort an zu bauen, wo andere aufhören» will der Start-up die obersten Decks von Parkhäusern «revitalisieren».
Module auf die Dächer
Die Idee kam den beiden Immobilienfachleuten Björn Hiss und Nikolai Jäger vor einigen Jahren, als sie beim Essen im Berliner Kaufhaus des Westens auf das Dach eines gegenüberliegenden Parkhauses schauten. Die Fläche war gähnend leer. Und das ist bei vielen Parkhäuser die Regel, denn die Plätze füllen sich ja von unten nach oben; die Dächer werden kaum genutzt. «Was für eine Verschwendung von wertvoller Fläche», dachten die beiden Wirtschaftswissenschaftler und fragten kurz darauf Eigentümer wegen möglichen Zwischennutzungen an. Als auch der Bundesverband Parken dem Duo bestätigte, dass Parkhäuser in Grossstädten nur zu fünfzig bis sechzig Prozent ausgelastet sind und gerade die obersten Decks häufig ungenutzt bleiben, nahm die Vorstellung, neben Mikrowohnungen wie Studentenappartements und Büros auch Hotels auf bestehenden Gebäuden zu erstellen, Formen an. «Die Eigentümer haben keine Ausgaben, sondern kommen durch eine zusätzliche Vermietung zu Zusatzeinnahmen. Kurz: Unser <Skypark>-Konzept ist ein lukratives Geschäft für Immobilienbesitzer.»
Ein Hotel aus energieeffizienten Holzkisten
Zwei Jahre später – und nach der Überwindung einer Vielzahl von baurechtlichen und statischen Hürden – stand der erste Prototyp eines modularen Hotelzimmers auf dem Dach des Parkhauses, das zum Berliner Einkaufszentrum «Ring-Center 2» an der Frankfurter Allee gehört. Die Hotelzimmer erscheinen dabei von aussen so unspektakulär wie eine Kiste. Sie sind rund vier Meter breit, gut sechs Meter lang und knapp vier Meter hoch und werden in Holzbauweise gemäss dem Standard eines Effizienzhauses gebaut. Innen ist alles da, inklusive Bad und Küchenecke. Zum Kern der Idee gehört auch, dass die vorproduzierten Modulgebäude dauerhaft mobil bleiben, sprich: auch wieder abgebaut und anderswo eingesetzt werden können. Und auch wenn es Hotels aus Holzmodulen bereits gibt, so setzen Hiss und Jäger doch auf eine Neuheit: «Im Nachhinein Flächen ohne zusätzlichen Bodenverbrauch, ohne Versiegelung, also Dachflächen von Bestandsgebäuden lediglich zu mieten und durch Module zur Mietnutzung aufzustocken – das hat vor uns noch niemand gewagt», erklärt Nikolai Jäger. «Entsprechend gross waren denn auch die Widerstände in der konventionellen Immobilienbranche, unsere Idee zu realisieren.»
151 Hotelzimmern in sechs bis acht Wochen
Inzwischen ist das Hotel eröffnet. Und zwar ist es MQ Real Estate gelungen, Partner zu finden, um das erste modulare Hotel auf dem obersten Parkdeck eines Einkaufszentrums in Berlin zu realisieren. Das gesamte Hotel wurde in energieeffizienter Holzmodulbauweise entwickelt und zum grössten Teil in einem deutschen Werk vorgefertigt. Dann wurden die 151 Hotelzimmer, die bis auf das bewegliche Mobiliar komplett eingerichtet waren, mit dem LkW angeliefert und per Kran auf das Parkhausdach gehievt. Der Kran gehört dabei zu den grössten in Deutschland verfügbaren Turmdrehkranen und stand direkt auf dem Bestandsgebäude. Parallel zum Aufbau der Zimmermodule, der rund sechs bis acht Wochen gedauert hat, sind vor Ort eine Lobby und die Gänge in Elementbauweise entstanden. Ausserdem mussten neben dem Haupteingang zum Einkaufszentrum zwei Aufzüge installiert werden, damit die Hotelgäste nicht durchs Parkhaus müssen, um zu ihren Zimmern zu gelangen. Eingerichtet ist das Hotel leicht nostalgisch – angelehnt an die Geschichte. So bestehen die Einheiten aus «historischem Ostschick, sozialistischem Klassizismus, modernstem Design und inszeniertem Vintage». Damit peilt das Hotel auf dem Parkdeck eine junge Zielgruppe an – Erwachsene ab 18 Jahren, «young urban travellers, die insbesondere mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sind», sagt Jäger. Und tatsächlich überbaut wurde mit dem Hotel lediglich etwas mehr als die Hälfte des 8000 Quadratmeter grossen Parkdecks, nämlich 4’500 Quadratmeter. Der verbliebene Freibereich soll ebenfalls gestaltet werden, zwei mit Graffiti verzierte Trabis sind als Deko-Elemente bereits vorhanden – schliesslich steht das Hotel auf einem Parkdeck.
Eigentümerin der Immobilie ist die Firma ECE, Europas grösster Entwickler und Betreiber von Einkaufszentren. Betreiberin des Hotels «The Niu Hide» ist die Novum Hospitality mit ihrer neuen Marke niu, die ganz auf individuell gestaltete Räume und ausgefallenes Mobiliar setzt. Eine Positionierung im Luxussegment wird nicht angestrebt, vielmehr sollen die Zimmer zu Preisen von rund 65 bis 85 Euro pro Nacht erschwinglich bleiben. Der Immobilienentwickler ist stolz darauf, mit seinem Team weltweit als erster die modulare Aufstockung von Bestandsgebäuden, insbesondere von Parkhäusern konsequent fokussiert zu haben. Angesichts der immer drängenderen Notwendigkeit der Nachverdichtung in vielen Städten könnte das durchaus eine Assetklasse der Zukunft werden. Da überrascht es auch nicht, sind deutschlandweit bereits zehn weitere Projekte dieser Art in Planung.
Schreiben Sie einen Kommentar
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.