Die Ansprüche an den Komfort in den Berghütten des SAC haben sich in den letzten Jahren verändert. Modulart.ch sprach mit Manuela Fischer von der Cavardiras-Hütte darüber, wie der Hüttenbetrieb vor dreissig Jahren aussah und was sich die Gäste heute wünschen.
Interview: Reto Westermann
Manuela Fischer führt zusammen mit ihrem Mann seit 1989 die Cavardiras-Hütte des SAC oberhalb von Disentis im Kanton Graubünden. Die 1928 erbaute und mehrmals erweiterte Hütte steht östlich der Fuorcla da Cavardiras auf einem Felskopf auf 2649 Metern über Meer und kann sowohl von Disentis als auch aus dem Maderanertal im Kanton Uri erreicht werden. Die Hütte bietet 60 Schlafplätze und wird von Anfang Juli bis Mitte September bewartet.
Manuela, du bist vor dreissig Jahren Hüttenwartin geworden. Hast du dir damals einen lang gehegten Wunsch erfüllt?
Manuela Fischer: Nein, die Arbeit als Hüttenwartin hatte ich eigentlich nie auf dem Radar. Das war damals eine spezielle Fügung. Ende der 1980er-Jahre verbrachten mein Mann und ich eineinhalb Jahre in Kanada und Alaska. Zurück in der Schweiz arbeiteten wir wieder in unseren vorherigen Jobs, die man uns netterweise freigehalten hatte. Doch dann fragte uns ein Bergführerfreund, ob wir nicht die Cavardiras-Hütte übernehmen wollten. Aufgrund unserer Reise waren wir grad in der richtigen Stimmung dafür. Zudem packten uns der Ort, die Lage, das Archaische und das Felsige dort oben sofort. Und als unsere Arbeitgeber auch noch bereit waren, während jeweils drei Monaten im Sommer auf uns zu verzichten, haben wir spontan zugesagt. Eigentlich wollten wir das ein paar Jahre lang machen, daraus sind bis heute 31 geworden.
Wie war die Hütte bei der Übernahme 1989 ausgestattet?
Manuela Fischer: Die Hütte sah damals ähnlich aus wie heute, da sie gerade an- und umgebaut worden war – mit einer neuen WC-Anlage im Haus, separaten Räumen für das Hüttenwartspaar sowie die weiteren Mitarbeitenden, einem Holzlager und einem Vorratsraum. Das eigene Zimmer war damals ein Luxus, den es noch längst nicht in allen Hütten gab. Der Rest des Gebäudes war aber schon relativ alt, insbesondere die Küche, die noch aus der Ursprungszeit stammte.
Wie haben sich die Ansprüche der Gäste während den letzten dreissig Jahren verändert?
Manuela Fischer: Als wir die Hütte übernahmen, war es noch üblich, dass man sein Nachtessen selbst mitbrachte. Die Ansprüche der wenigen Gäste, für die wir damals gekocht haben, waren klein. Man freute sich einfach, wenn es einen warmen Znacht gab. Dass wir frisch gebackenes Brot zum Frühstück servierten, war zu der Zeit ein Novum. In den meisten Hütten gab es nur Knäckebrot. Da wir damals mit dem Nachtessen wenig Arbeit hatten, konnten wir tagsüber selbst Klettern oder Wandern gehen. Umgekehrt meldeten sich viele Gäste gar nicht an und kamen einfach.
Heute wäre eine Hütte ohne Halbpension fast undenkbar?
Manuela Fischer: Ganz klar. Der Wandel begann vor rund zwanzig Jahren. Heute ist die Hütte ein kleiner Gastrobetrieb mit Halbpension. Die Gäste melden sich an, erwarten einen geregelten Tagesablauf und ein anständiges Menu sowie ein währschaftes Frühstück mit Brot, Käse, Konfi und Müesli.
Die Cavardiras-Hütte ist nur über sehr lange Zustiege erreichbar. Sind deine Gäste deshalb weniger auf Komfort eingestellt, als sie beispielsweise in tiefer gelegenen und einfacher zugänglichen Hütten wären?
Manuela Fischer: Das ist sicher ein Stück weit der Fall: Wer zu uns hochkommt, ist das Wandern gewohnt und erwartet keinen allzu grossen Komfort. Die meisten Gäste freuen sich über ein feines Essen sowie einen geschützten Ort zum Schlafen und sind sich bewusst, dass das Angebot aufgrund der schwer zugänglichen Lage der Hütte Grenzen hat.
Deine Gäste sind also wunschlos glücklich?
Manuela Fischer: Nein, natürlich nicht ganz. Vor allem beim Schlafkomfort gibt es immer wieder Wünsche. Da haben sich die Ansprüche stark verändert. Wir bieten zwar schon seit Langem Duvets an, man schläft bei uns aber nach wie vor in zwei grossen Massenlagern. Um die Situation zu verbessern, haben wir einzelne Matratzen entfernt, damit es etwas mehr Platz gibt. Kleinere Zimmer wären gefragt, die können wir aufgrund der engen Raumverhältnisse jedoch nicht anbieten. Dafür bräuchte es eine neue Hütte oder zumindest einen grossen Anbau.
Kannst du solche Wünsche nach mehr Komfort nachvollziehen?
Manuela Fischer: Bei den Schlafräumen auf jeden Fall. Da habe ich manchmal fast ein schlechtes Gewissen, wenn wir an einem Sommerwochenende alle Betten füllen und man sehr eng nebeneinander liegt.
Kann man bei euch duschen?
Manuela Fischer: Auch diese Frage taucht öfters auf. Der limitierende Faktor ist bei uns aber das Wasser, das wir aus den umgebenden Schneefeldern gewinnen. Vor allem in der zweiten Sommerhälfte, wenn der Schnee geschmolzen ist, reicht es schon heute kaum für den täglichen Bedarf. Eine Dusche für die Gäste ist deshalb kein Thema. Ausbauen müssen wir aber die WC-Anlagen und die Waschbecken. Die entsprechen nicht mehr dem, was man heute auf einer Hütte erwarten kann und sind vor allem im Frauenbereich viel zu klein.
Welches waren die wichtigsten Anpassungen, die ihran der Cavardiras-Hütte während den letzten dreissig Jahren gemacht habt?
Manuela Fischer: Wir hatten damals ja eine relativ frisch erneuerte Hütte übernommen. Mit dem Umbau von 2006 bekamen wir dann endlich auch noch eine neue Küche mit einem Gasherd und einem Boiler, der Heisswasser für den Abwasch liefert.
Welchen Komfort würdest du dir auf der Hütte gönnen, wenn du dir etwas wünschen dürftest?
Manuela Fischer: Einen Geschirrspüler. Nach dreissig Jahren abwaschen von Hand wäre das eine grosse Erleichterung. Aber dazu bräuchte es eine stärkere Stromversorgung und genügend Wasser während der ganzen Saison.
Welches sind Ihrer Erfahrung nach die grössten baulichen Herausforderungen bei einer Hütte auf dieser Höhe?
Manuela Fischer: Zum einen der Transport der Materialien mit dem Helikopter, zum anderen die extremen Witterungsverhältnisse. Für den Bau unseres neuen Wassertanks mussten wir beispielsweise einen Bagger mit einem riesigen Kamov-Helikopter hochfliegen. Bautechniken aus dem Flachland funktionieren hier oben auf der Hütte zum Teil nicht, etwa Dampfsperren, Dämmungen oder Dichtungen. Entsteht beispielsweise durch die grossen Temperaturunterschiede irgendwo eine undichte Stelle, kann Schnee eindringen. Letzten Winter wurde unser Vorratsraum durch eine solche feine Ritze komplett mit feinstem Flugschnee gefüllt.
Bilder: zvg
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Siehe unter Prozess den Beitrag «Fertige Holzelemente statt nummerierte Bretter» und unter Literatur die entsprechenden Büchervorschläge zum Thema «Bergfieber – Achtung ansteckend!»
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