Das Atelierhaus ist vor 37 Jahren im Stahlbausystem des Architekten Fritz Haller gebaut worden. Nun hat es eine junge Familie zu einem Wohnhaus umgenutzt. Das System erlaubte diese Flexibilität.

Fritz Haller, Mini-Haus in Lommiswil

Bilder: Silvio Brügger

Das Haus ist nicht geschützt, nicht einmal inventarisiert. Es steht am Sonnenrainweg in Lommiswil, Kanton Solothurn, ist aus einem Stahlbausystem erstellt und lässt auf den ersten Blick nichts Aussergewöhnliches erkennen. Und doch erzählt es zum Beispiel die Geschichte des international bekanntesten Möbels aus der Schweiz: USM Haller. Denn der Architekt Fritz Haller (1924–2012) hatte, bevor er vor mehr als 50 Jahren dieses Möbel im Baukastensystem entwickelte, Systeme für Häuser entworfen. Die ersten Versuche unternahm er für Schulhäuser, aber erst für eine neue Industriehalle der Firma Ulrich Schärer Söhne in Münsingen (USM) entwickelte er mit dem Juniorchef Paul Schärer das Bausystem Maxi, das für Fabriken gedacht war. Doch das genügte nicht. 1969 schrieb Fritz Haller in der Schweizerischen Bauzeitung: «Im Zusammenhang mit realisierten Fabrikbauten sind weitere Bedürfnisse aufgetaucht. Man verlangte von uns Vorschläge für Zusatzbauten wie etwa Bürogebäude, kleine Ateliers, Kantinen und Abwartwohnungen sowie für Einfamilienhäuser von leitenden Mitarbeitern.» Er wollte nicht für jede Aufgabe eine neue Gebäudeart und suchte nach einer «allgemeinen Lösung». Sie sollte den Bau und die Erweiterung von kleinen Einheiten erlauben, etappierbar und in der Zukunft im Innern leicht veränderbar sein. Sie nannten das neue Bausystem USM Haller Mini.

Fritz Haller schrieb absichtlich «Modul» und nicht «Raster», denn sein System war dreidimensional gedacht.

1200 Millimeter

Das Haus in Lommiswil von 1980 ist eines der letzten Häuser, die im USM-Haller-Mini-System gebaut worden sind. Das Büro von Fritz Haller war nicht direkt beteiligt, denn der Architekt Alix Känel benutzte nur das Bausystem und erstellte sich ein Atelier, in dem er mehr als 30 Jahre arbeitete. Auf drei Seiten umgibt ein 1,20 Meter breiter und gläserner Gang das Haus, eine Art Wintergarten, der als Klimapuffer noch heute funktioniert. Nach dem Tod von Känel wollte ein Investor das eingeschossige Haus mit Keller abbrechen. Dank der Tochter des Architekten steht es heute noch. Sie verkaufte das Atelier der jungen Familie von Laila Provinzano und Reto Brügger. Brügger ist Architekt und erkannte den Wert des Hauses, aber vor allem sah er auch die Möglichkeit, aus einem Büro- ein Wohnhaus zu machen. Dazu liess er 2016 alle Büroeinbauten entfernen – Flexibilität war ja eingeplant. Nur zwei tragende Stützen blieben stehen. Nun hatte er einen im Licht drei Meter hohen und 220 Quadratmeter grossen Raum (inklusive Pufferzone) zur Verfügung. Die bestehenden Leitungen gaben die Lage der neuen Bäder vor, ansonsten war der Architekt in der neuen Einteilung frei. Trotzdem blieb er im Mass: «Die Auseinandersetzung mit dem USM-Modulmass zeigte uns, dass 1,20 Meter nach wie vor ein ideales Rastermass ist.» Es ermöglichte gute Raumgrössen und berücksichtigte auch die handelsüblichen Plattengrössen. Fritz Haller schrieb vor 48 Jahren in der Metallbausprache in genauen Millimetern: «Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass zwischen 1130 und 1250 Millimetern ein ideales Mass liegt. Wir wählen den Modul von 1200 Millimetern.» Er schrieb absichtlich «Modul» und nicht «Raster», denn sein System war dreidimensional gedacht.

Büro zu Wohnhaus, Wohnhaus zu Büro

Heute trennen zwei Sanitärkerne das Haus in zwei Bereiche. Sie sind wie alle neuen Trennwände mit Eichenholzplatten verkleidet. Auf der Hangseite, dem Nachtbereich, finden sich in einer Zimmerschicht ein Büro, zwei Schlafzimmer und eine Bibliothek, auf der Aussichtsseite, dem Tagesbereich, liegt ein grosser Wohn- und Essbereich. Die erkerartige Erweiterung der Pufferzone auf der Ostseite wird als Teezimmer genutzt und ist der Lieblingsraum der neuen Bewohner. Man staunt, dass Doppelverglasungen und Drehtüren im Original erhalten geblieben sind. Und mitten im grossen Raum steht heute ein USM-Haller-Gestell: Verbindungskugeln, Stahlrohre und weisses Blech.

In den letzten Jahren sind einige USM-Mini-Häuser renoviert worden. Zum Beispiel das Haus Hafter in Solothurn, das Branger Architekten in ihr Büro umbauten. Das einstige Wohnhaus bot viel Platz für die Kunstsammlung von Edith Hafter-Kottmann. Das Haus ist also genau umgekehrt umgenutzt: vom Wohnhaus zum Büro. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wärme- und Kälteschutz: Die 1.20 Meter breite Pufferzone lässt sich mit Vorhängen schliessen.

Bilder: Silvio Brügger

Ivo Bösch ist Redaktor bei Hochparterre, Architekt und Wanderleiter. Der Text ist im Heimatschutz-Heft erschienen.

Literatur

Burkhard Meltzer, Tido von Oppeln, Rethinking the Modular – Adaptable Systems in Architecture and Design, 2016 Rezension

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