Als Rochadefläche während der Sanierung des Stammareals steht am Rand des Psychiatriezentrums Münsingen PZM AG seit August 2022 ein zweigeschossiges Provisorium. Den lang gezogenen und filigranen Holzmodulbau haben Bauart Architekten entworfen. Er bietet Platz für jeweils zwei Stationen des Zentrums.
Bilder: Alexander Gempeler
Der Brandschutz, aber auch die Suizidprävention waren besondere Herausforderungen
Stefan Fuchs, Architekt, Bauart Architekten und Planer AG, Standortleitung Büro Zürich
Die weitläufige Anlage des Psychiatriezentrums in der Berner Gemeinde Münsingen ist ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung. Mehr als ein Dutzend Gebäude im Renaissancestil stehen in einem gut zehn Hektar grossen Park am Nordrand der Gemeinde, umgeben von Wiesen und Feldern. Seit 1895 behandeln Fachleute hier Menschen mit psychischen Erkrankungen. In den nächsten rund zehn Jahren werden die Gebäude im Rahmen eines Masterplans von Matti Ragaz Hitz Architekten saniert, umgebaut und teilweise erweitert. In mehreren Etappen entstehen wohnliche Patient:innenzimmer sowie Therapie- und Wohnbereiche mit hoher Aufenthaltsqualität. Zudem entsteht ausreichend Raum, der von interdisziplinären Teams für moderne Therapieformen flexibel genutzt werden kann.
Um die Gebäude sanieren zu können, braucht es Rochadeflächen für jeweils zwei Stationen. Platz dafür bietet ein im August 2022 fertiggestellter Modulbau am Westrand des Klinikareals. Das dafür genutzte Grundstück befindet sich ausserhalb des eigentlichen Klinikareals in der Landwirtschaftszone. Da auf dem Gelände des Psychiatriezentrums selbst keine passenden Flächen zur Verfügung standen und das Bild der geschützten Anlage möglichst nicht durch ein Provisorium im Park tangiert werden sollte, erteilte der Kanton eine auf zwölf Jahre befristete Ausnahmegenehmigung, um die landwirtschaftliche Fläche zu bebauen.
Vertikal gegliederte Fassade
Das Gebäude für die provisorische Bettenstation haben Bauart Architekten entworfen, die Ausführung erfolgte durch die Modulbaufirma Kifa AG als Totalunternehmerin. Die Grossform und die Volumetrie des Gebäudes orientieren sich einerseits an der daran vorbeiführenden Strasse, andererseits an der rechtwinklig dazu verlaufende Erschliessungsachse des Stammareals. In ihrer Verlängerung befindet sich der Eingang des neu erstellten Provisoriums – so entsteht ein direkter optischer Bezug zwischen den bestehenden Klinikbauten und dem Provisorium am Rand des Areals. Der Bau ist über 90 Meter lang, zweigeschossig und steht um acht Meter von der Strasse zurückversetzt. Die vertikal angeordnete Schalung aus grau lasierten Holzlatten mit regelmässig daraus hervorstehenden hölzernen Rippen und die hochformatigen Fenster rhythmisieren den langen Gebäudekörper. Abgeschlossen wird er nach oben hin durch ein filigranes, nach Westen, zur Landschaft hin, weit auskragendes Dach mit sichtbaren Sparren, das die Fassade in den Sommermonaten beschattet. Die von Xeros Landschaftsarchitekten aus Bern gestaltete Umgebung ist bewusst einfach gehalten und bettet den Bau sanft ins umgebende Landwirtschaftsland ein. Zur Westseite hin sind zwei gleich grosse, von je einem hohen Zaun umgebene Gärten für die Patientinnen und Patienten angeordnet – je einer pro Station. Diese Zweiteilung der Nutzung setzt sich auch im Innern fort – hier belegt jede grösstenteils identisch aufgebaute Station eines der beiden Stockwerke. Die klare Trennung hatte die Bauherrschaft aufgrund der betrieblichen Erfahrungen vorgegeben. Auch sonst stellten die Vorgaben für den Betrieb einer psychiatrischen Klinik spezielle Anforderungen an den Bau: «Der Brandschutz, aber auch die Suizidprävention waren besondere Herausforderungen», sagt Stefan Fuchs, Projektleiter von Bauart Architekten. Da die Patientinnen und Patienten im Brandfall oft nicht selbstständig flüchten können, müssen beispielsweise alle internen Raumabtrennung eine Widerstandsdauer von 60 Minuten aufweisen. Und die Suizidprävention wiederum erforderte eine grosse Anzahl an Speziallösungen, welche aber grösstenteils nicht als solche wahrgenommen werden.
Vorbild für die Sanierung
Die Grundrissstruktur des Gebäudes basiert auf der Grundfläche eines Zimmers, das inklusive Nasszelle rund 21 Quadratmeter misst und eine Raumtiefe von sieben Metern hat. Auf beiden Stockwerken bildet ein mittiger über die ganze Länge laufender Korridor das Rückgrat, an dem beidseitig die Räume andocken. Jede Station bietet 18 Zimmer (davon zwei Intensivzimmer) für Patientinnen und Patienten. Dazu kommen ein grosszügiger Empfangsbereich, Therapieräume, Aufenthalts- und Essbereiche sowie Flächen für die Mitarbeitenden. Die vertikale Erschliessung erfolgt über zwei Treppenhäuser und zwei Aufzüge.
Besondere Sorgfalt erforderte die Gestaltung der inneren Oberflächen: «Ziel war es, eine möglichst wohnliche und beruhigende Umgebung zu schaffen», sagt Architekt Stefan Fuchs. Zum Einsatz kamen einerseits Farben im Rosabereich, zum anderen Fichten- und Eichenholz. Letzteres wurde für die Türen verwendet, das Fichtenholz an den Decken in den Zimmern, deren Böden mit einem rosafarbenen Linoleum ausgelegt sind.
Für die Ausführung wählte die Kifa AG eine Kombination aus vorgefertigten Modulen und vor Ort erstellten Bauteilen. Die Räume links und rechts des Korridors – insgesamt 106 Module – wurden fast komplett im Werk ausgebaut. Der mittige Korridor hingegen entstand aus zwischen den Modulen eingehängten Platten und wurde vor Ort ausgebaut. Mitte August 2022 wurden die beiden Stationen im Holzmodulbau eröffnet – davon eine neue Akutstation. Der Bau schafft im Psychiatriezentrum Münsingen aber nicht nur die während der Bauzeit benötigten Rochadeflächen, sondern ist ein wichtiger Meilenstein in der Gesamtentwicklung des PZM. Damit wird es auch Vorbild für den Umbau und die Erneuerung der historischen Bauten auf der anderen Strassenseite sein.
Pläne: Bauart Architekten und Planer AG
Bilder: Alexander Gempeler
Projektdaten
Modulbau provisorische Pflegestation, Münsingen, 2022
Bauherrin: Psychiatriezentrum Münsingen PZM AG, Münsingen
Architektur: Bauart Architekten und Planer AG, Bern, Zürich Neuchâtel
Totalunternehmer / Holzmodulbau: Kifa AG, Aadorf
Schreiben Sie einen Kommentar
Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.