Forscher gehen davon aus, dass schon Kinder in der Steinzeit mit primitiven modularen Spielsystemen gespielt haben. Das legen jedenfalls archäologische Funde nahe. Einfache Bausteine und Bauklötze aus den verschiedensten Materialien gehören wohl zu den ältesten Spielzeugen der Welt. Seit jenen Tagen hat eine grosse Entwicklung stattgefunden. Im 3. Teil zu den modularen Spielewelten geht es um Stokys, Meccano, Märklin und weitere.
Stokys – dem 2. Weltkrieg sei Dank
Genauso schweizerisch wie «Cuboro» ist auch «Stokys». Die Erfolgsgeschichte dieses einheimischen Metallbaukastens hat mit dem 2. Weltkrieg zu tun: Vor dem Krieg beherrschten die Metallbaukästen von Meccano und Märklin den Schweizer Markt. Während des Krieges waren dann aber beide Produkte plötzlich nicht mehr erhältlich, weil der Import von Spielwaren praktisch zum Erliegen kam. Die Gebrüder Stockmann gründeten in Luzern eine Firma und stellten 1942 den ersten Aluminium-Baukasten her. Stokys übernahm dabei den Lochabstand und die Schraubengrösse der Konkurrenzprodukte. Seit 2007 werden die Metallbausätze in Bauma hergestellt. Doch die Veränderung des Freizeitverhaltens macht der 75-jährigen Firma zu schaffen. 2016 wurden gerade mal noch 400 Kästen verkauft. Mit einem Crowdfunding im Frühjahr 2017, das von 600 Personen unterstützt wurde und bei dem 126 000 Franken zusammen kamen, konnte die Firma aber gerettet werden.
Metall zum Verschrauben: Meccano, Märklin, Trix
Die Mutter aller Metallbaukästen ist aber Meccano. Die gleichnamige Firma wurde 1901 in Liverpool durch den Unternehmer Frank Hornby gegründet. Metallbaukästen enthalten Blechteile, die man mit Schrauben und Muttern zusammenschraubt und dadurch jegliche erdenklichen Gebilde konstruieren kann. Als im Ersten Weltkrieg der Vertrieb in Deutschland nicht mehr möglich war, erwarb Märklin 1915 die Markenrechte und nahm 1919 die Produktion mit anderen Farben als Meccano auf. Während Meccano bis heute überlebt hat, stellte Märklin die Produktion der Metallbaukästen anfangs der 2000-er Jahre ein. Konkurrent Trix war 1931 ebenfalls ins Geschäft eingestiegen und hatten den Trix Volks-Metall-Baukasten in Deutschland auf den Markt geworfen, der wesentlich günstiger als die Meccano- und Märklin-Baukästen war und deshalb ebenfalls schnell Verbreitung fand. Das Trix-Baukastensystem war dem System der beiden Konkurrenten hinsichtlich der Variabilität der Konstruktionsmöglichkeiten weit überlegen. Die gröbere Qualität der Bauelemente und das beiliegende unzureichende Werkzeug wurden aber oft kritisiert. Ende 1997 wurde auch die Produktion der Trix-Kästen eingestellt.
Der Platz reicht hier natürlich nicht aus, um auf alle modularen Baukasten-Spielzeuge einzugehen. Erwähnt werden muss aber sicher noch das Kunststoff-Konstruktionssystem Fischertechnik. Es wurde im Frühjahr 1966 eingeführt und ist auch heute noch erfolgreich am Markt. Die Baukästen bestehen aus Grundbausteinen aus Kunststoffen und Bauelementen wie Achsen, Motoren, Getrieben, Zahnrädern, Kompressoren, Sensoren, Steuerungselementen und Software. Von Beginn weg hatte Fischertechnik einen pädagogischen Anspruch. In den 1960-er Jahren entstand das Fischertechnik-Schulprogramm. In Begleitheften wurden dem Leser ausführlich technische und physikalische Zusammenhänge anhand von Fischertechnik-Modellen erklärt. Fischertechnik-Bausätze werden auch heute noch im Schulunterricht eingesetzt.
Bild: Creative Commons
Bilder: Adrie Wind / Franz Elber
Regelspiele wie zum Beispiel Bausack
Nicht nur Konstruktionsspielzeug sondern auch Spiele (im Unterschied zu Spielzeug werden Spiele nach vorgeschriebenen Regeln gespielt) machen sich oft modulare Systeme zunutze. Ein Spiel, das eigentlich in keinem Architekturbüro fehlen darf, ist „Bausack“ von Klaus Zoch. Zoch gründete 1987 gemeinsam mit seinem Schulfreund Albrecht Werstein den Zoch Verlag in München und wurde hauptberuflicher Spieleerfinder. Im gleichen Jahr erschien der Bausack, der damals schon deshalb auffiel, weil ein Spiel nicht in einer Schachtel, sondern eben in einem Baumwollsack vertrieben wurde. Es gibt Geschichten darüber, wie die beiden Jungunternehmer diese Baumwollsäcke in einer Wohnung im oberen Stockwerk einer Altbauliegenschaft von Hand mit jeweils etwa 70 Holzteilen befüllten und deshalb wohl tonnenweise Material hinauf- und hinabschleppen mussten. Je nach Spielvariante bauen die Spieler am eigenen oder an einem gemeinsamen Turm, ersteigern oder versteigern manch bizarre Teile, die eingebaut werden müssen, ohne dass der Turm zusammenkracht. Ziel des Spiels ist es, den höchsten oder stabilsten Turm zu bauen. Wer zuletzt übrig bleibt, gewinnt. Die Bausteine – Quader, Pyramiden, Säulen bis hin zu Eierhälften oder Kugeln – sind beim Bauvorhaben nicht immer hilfreich, öfter sogar hinderlich. 1988 stand das Kultspiel auf der «Auswahlliste Spiel des Jahres», mittlerweile wird es in einer Schachtel verkauft.
Bild: Zoch
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Der Autor
Tom Felber ist Journalist und Spielexperte. Zwischen 1997 und 2016 verfasste er die wöchentliche Spielkolumne in der NZZ-Beilage.
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