Forscher gehen davon aus, dass schon Kinder in der Steinzeit mit primitiven modularen Spielsystemen gespielt haben. Das legen jedenfalls archäologische Funde nahe. Einfache Bausteine und Bauklötze aus den verschiedensten Materialien gehören wohl zu den ältesten Spielzeugen der Welt. Seit jenen Tagen hat eine grosse Entwicklung stattgefunden. Teil 2 der Rubrik «Modulare Spielewelten» berichtet über Matador, Kapla und Cuboro.

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Bild: Raimond Speeking

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Matador  – aus der Destruktion geboren

Neben den Anker-Bausteinen, dem ersten in Massenproduktion gefertigten modularen Spielsystem, und Lego, dem weltweit erfolgreichsten modularen Spielsystem, gibt es noch viele weitere Konstruktionsspielzeuge. Darunter haben sich auch einige gehalten, die als Material Holz verwenden: Matador wurde 1899 vom Bauingenieur Johann Korbuly, dem siebten von achtzehn Kindern eines Wiener Kaufmanns, erfunden. Die nachvollziehbar lebensnahe Geschichte dazu besagt, dass seine drei Söhne sich beim Bauen mit Holzbauklötzen ständig gegenseitig die Bauwerke zerstörten, worauf er sich entschloss, Löcher in diese zu bohren und sie so durch Stäbchen fest miteinander verbindbar zu machen. Im Jahr 1901 erhielt Korbuly in mehreren Staaten Patente auf seine Erfindung. Ab 1903 begann er den Matador-Baukasten in Wien aus Buchenholz serienmässig selber herzustellen, da sich sonst niemand dafür interessiert hatte. Es wurde ein durchschlagender Erfolg. Wegen der grossen Konkurrenz durch Metall- und Kunststoff-Baukästen wurde die Produktion 1987 eingestellt, 1997 mit neuen Besitzern aber wiederaufgenommen. Der Name Matador soll übrigens die Überlegenheit des Systems zum Ausdruck bringen und geht auf eine alte Redewendung zurück: «Er ist ein Matador in seinem Fachgebiet».

Bild: Stefan Graf

Das Modulare verwenden wir hauptsächlich in Grossspielen. Es kommt in der Konzeption zum Zug und hilft, ein Spiel zu rhythmisieren, indem eine Form ausgestaltet wird, die sich beliebig mit verschiedenen Inhalten füllen lässt.

Andreas Frei, Spielentwickler

Kapla – Plättchen statt Klötze

Das Bausystem Kapla ist wesentlich einfacher gestrickt und jünger: Es wurde zufälligerweise just im Jahr 1987 entwickelt, als Matador ein erstes Mal vom Markt verschwand. Für den damals 25-jährigen Bauherrn Tom van der Bruggen erwiesen sich herkömmliche Holzklötzchen als ungeeignet, um das Modell eines Schlosses zu erstellen. Deshalb ersetzte er die Klötzchen durch Plättchen aus Pinienholz und – Kapla war erfunden! Der Name Kapla stammt vom niederländischen Begriff für „Wichtelhölzchen“. Das sehr minimalistische System besteht eigentlich nur aus identischen Holzplättchen. Drei flach aufeinander gelegte Kapla-Plättchen sind genauso hoch wie ein Plättchen breit ist, fünf flach nebeneinander gelegte Plättchen sind so breit wie die Länge eines Plättchens. Damit sind jedoch mehrere Meter hohe, hochkomplexe Gebilde möglich, welche Kinder und Familien in die Geheimnisse der Statik einführen. 


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Bilder: Cuboro

Cuboro – die System-Kugelbahn aus Hasliberg

Das Cuboro-Kugelbahnsystem steht für Schweizer Präzision und Qualität. Es war eines der „Best of Switzerland-Produkte“ an der Weltausstellung 2005 in Japan. Die Kugeln rollen hier nicht über längliche Bahnen oder Schienen, sondern durch quadratische Holzwürfel, die mit Bohrungen und Rillen versehen sind und so fast unendliche Kombinationen ermöglichen. Die frühesten Prototypen des Systems baute der heute 63-jährige Matthias Etter während seiner sozialpädagogischen Ausbildung. Er veröffentlichte das Spiel 1985 zuerst unter dem Namen Konstrito. Nach einem mehrjährigen Abstecher mit seiner Familie als Wein- und Olivenproduzent in die Toskana führt Etter die Firma Cuboro AG seit 1999 in Hasliberg. Im Laufe der Jahre kamen immer neue Elemente hinzu, die komplexere Aufbauten mit Doppelspuren, Beschleunigungs- und Sprungelementen ermöglichen oder das System zum Strategiebauspiel (cuboro tricky ways) erweitern. Die Kugelbahn wird heute weltweit an Schulen, in Vereinen sowie an öffentlichen Veranstaltungen zum spielerischen Trainieren der räumlichen Vorstellungskraft und des logischen Denkens eingesetzt. Wie sehr modulare Kugelbahnen übrigens auch heute noch im Trend sind, hat jüngst die Firma Ravensburger bewiesen, die mit Gravitrax im Herbst 2017 ebenfalls eine modulare Kugelbahn ins Programm nahm, allerdings aus buntem Kunststoff.

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Cuboro Tricky Ways

Bild: Cuboro

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Modulare Spielzeug- und Spielewelten (Teil I)
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Der Autor

Tom Felber ist Journalist und Spielexperte. Zwischen 1997 und 2016 verfasste er die wöchentliche Spielkolumne in der NZZ-Beilage.

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