Zwischen 1925 und 1933 wurden in Frankfurt am Main mehr als 12’000 Wohnungen neu erstellt. Prägend für die Bauten sind die konsequente Typisierung und Standardisierung sowie zum Teil auch die industrielle Vorfertigung. Eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt widmet sich dem Grossprojekt unter Leitung von Architekt und Stadtbaumeister Ernst May.
Bilder: (1) Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv, Nl May, Ernst, I,B-9 (0015). (2) Dr. Paul Wolff & Tritschler, Historisches Bildarchiv, D-77654 Offenburg. (3) Daf, Bestand Grünflächenamt. (4) Hermann Collischonn, Copyright: Ernst-May-Gesellschaft E.V., Nachlass Rudloff, Inv. 06.05.02
Das Bauhaus in Dessau oder die Weissenhofsiedlung in Stuttgart werden meist an erster Stelle genannt, wenn es um die Architektur der Moderne in Deutschland geht. Weit weniger bekannt ist, dass zur selben Zeit in Frankfurt am Main innert neun Jahren gegen 12’000 Wohnungen sowie diverse Schulen, Sozialbauten und Kirchen erstellt wurden, deren Architektur ebenfalls den Prämissen der Moderne folgte. Ziel war es, der extremen Wohnungsnot zu begegnen und ausserhalb der teilweise überfüllten Altstadt mit ihren schlechten hygienischen Bedingungen neuen Wohnraum zu schaffen. Im Zentrum des Geschehens standen Oberbürgermeister Ludwig Landmann und Architekt Ernst May als Väter des «Neuen Frankfurt». Ein Leitbild der Architekten war der Neue Mensch der Moderne, «der entschlossen ist, das Alte, Erstarrte hinter sich zu lassen», wie May es formulierte. Als Leiter des Hochbauamtes hatte ihn Oberbürgermeister Landmann mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet, die es ihm ermöglichten, seine Pläne rasch voranzutreiben.
Dieser kurzen, aber für die bauliche Entwicklung von Frankfurt extrem wichtigen Zeitspanne widmet sich aktuell eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum, zu der auch ein Begleitbuch erschienen ist. Ausstellung und Buch zeigen nicht nur die zahlreichen Siedlungen, die damals entstanden, sondern auch, wie stark die Planer auf Typisierung, Standardisierung und Vorfertigung setzten. Um die Baukosten niedrig zu halten, experimentierte May mit einer industrialisierten Bauweise, in der vorgefertigte und normierte Bauteile zum Einsatz kamen. «Das Ziel», so May, «muss die fabrikmässig erzeugte, fertig lieferbare, in wenigen Tagen montierbare Wohnung sein».
Verantwortlich für die Umsetzung dieser Pläne war die Abteilung «T» mit sechzig Mitarbeitenden. Sie entwickelten nicht nur standardisierte Grundrisse, sondern auch industrielle Bauweisen mit vorgefertigten Betonelementen, für die in einer nicht gebrauchten Messehalle extra eine Fabrik errichtet wurde. Ebenso normierte die Abteilung T alle anderen Bauteile bis hin zu Türgriffen, Telefonapparaten oder Möbeln für die Ausstattung der Wohnungen. Die Stahlzargentüre beispielsweise ist eine Erfindung der Abteilung T, ebenso die bekannte Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky. Während die Küche und die normierten Kleinbauteile flächendeckend zum Einsatz kamen, bewährte sich die vorgefertigte Bauweise für ganze Gebäude weniger. Sie kam nur – je nach Quelle – bei 1000 bis 1600 Wohnungen zum Einsatz, denn sie erwies sich letztlich gegenüber der klassischen Maurerarbeit als zu teuer.
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