Auf dem dorf-artigen Areal der Stiftung Wagerenhof in Uster finden Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung ein Daheim. Als erstes von drei neuen Gebäuden ist im Sommer 2019 die Kita Beluga fertig geworden. Dank vorfabrizierter Elementbauweise stand der Rohbau bereits nach einer Woche.
Bilder: Dominique Wehrli
Der eingeschossige Neubau schwebt leicht über dem Boden, die Fassade aus vertikalen Holzlamellen und rotem Blech wirkt einladend. Ein minimalinvasiver Holzelementbau sei es, sagt Norman Prinz, der zuständige Projektarchitekt bei Bob Gysin Partner Architekten. ‹Minimalinvasiv› heisst in diesem Fall: Die Bodenelemente liegen direkt auf einer Stahlträgerunterkonstruktion, die wiederum auf Schraubfundamenten ruht, die in den Erdboden gedreht wurden. Sprich: minimaler Eingriff ins Terrain, keine Unterkellerung, kein Betonsockel. Da die Kita im landwirtschaftlichen Teil des Wagerenhof-Areals steht, sollte Holz das dominierende Material sein. Der eingeschossige Neubau fügt sich aber nicht nur materiell in den Kontext ein: Mit seiner geringen Höhe orientiert er sich an den umliegenden Wohnbauten.
Kinderdorf im Wagerenhof-Dorf
Das Spezielle am «Wagerenhof» ist seine über Jahrzehnte sorgfältig angelegte, dörfliche Struktur, die Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung nicht nur Raum zum Wohnen, sondern auch zum Arbeiten, zum Draussensein und für die Geselligkeit bietet – ein richtiges Daheim.
Die neue integrative Kita sollte analog dazu ein kleines Dorf für Kinder mit und ohne Behinderung im grossen Wagerenhof-Dorf werden. An einer überdachten internen Gasse, die sich durch das Gebäude und um einen Servicekern schlängelt, liegen drei Körper, in denen Räume mit ähnlichen Nutzungen zusammengefasst sind: In der grössten Box, die sich linkerhand parallel an den Eingangskorridor legt, sind zwei Spielzimmer und ein «Gumpi-Raum» untergebracht. Die drei Zimmer können dank Schiebetüren für grössere Anlässe auch zu einem grossen Raum zusammengeschaltet werden. Rechts des Korridors und quer dazu befinden sich die Büro- und Lagerräume für die Krippenleitung. Im kleinsten Gebäudekörper in der nordwestlichen Ecke machen die Kinder ihren Mittagsschlaf oder gehen im Malzimmer einer ruhigen Beschäftigung nach.
«Zuerst hatten wir die Idee, jeden der drei Körper mit eigenen Decken zu versehen», sagt Prinz. Nach einer technischen und ökonomischen Optimierung des Projekts sah man letztlich davon ab. Die Eigenständigkeit der drei Bereiche markieren nun überhöhte Dachpartien. Die selbsttragenden Boxen tragen auch die Last des Daches, das die dazwischenliegende Fläche überspannt. Diese ist sehr viel mehr als eine reine Verkehrsfläche: Sie lädt die Kinder zu Rundläufen und zum Spielen ein; ausserdem befinden sich dort auch ein Koch-/Essbereich und die Garderoben.
Vorfabriziert und schnell aufgebaut
Bodenplatten, Aussen- und Innenwände sowie Dachelemente wurden vorfabriziert und als ganze Elemente auf die Baustelle geliefert. «Der Rohbau stand bereits nach einer Woche», sagt der Projektarchitekt. Im Innern möblierten Schreiner die Wände: Garderoben, Sitznischen und Aufbewahrungsregale sind in die Wände integriert, die OSB-Platten je nach Nutzung mit einer anderen Farbe lasiert, sodass die Holzmaserung sichtbar bleibt: Nun leuchten die Spielzimmer fröhlich in roter, grüner oder blauer Farbe, gelb ist die Garderobe, weiss die Sitzungszimmer. Der hellblaue Polyurethanboden steht im Kontrast zu den leicht gelblich wirkenden Holzwänden. «Wir wollten keine Villa Kunterbunt, sondern, dass die Kinder ein Zimmer über die Farbgebung einer Nutzung zuweisen können», erklärt Prinz.
Dies geschehe höchstens unbewusst, sagt die Kita-Leiterin Daniela Rotzler. «Fürs Auge ist aber alles sehr stimmig.» Sie und ihre Mitarbeiterinnen schätzten die grosszügigen, hohen Räume und das natürliche Licht, das durch die grossen Fenster einfalle. Und die Kinder? «Sie lieben es, viel Platz für die Bewegung zu haben, in den verschiedenen Nischen zu sitzen – und sind hin und weg vom neuen Gumpi-Raum.»
Da alle Elemente vorfabriziert auf die Baustelle geliefert wurden, stand der Rohbau bereits nach einer Woche.
Norman Prinz, Bob Gysin Partner Architekten
Bilder: Dominique Wehrli
Projektdaten
Kinderkrippe Beluga, Uster, 2019
Bauherrschaft: Stiftung Wagerenhof, Uster
Architekt: Bob Gysin Partner BGP Architekten ETH SIA BSA
Auftragsart: Gesamtleistungswettbewerb auf Präqualifikation, 2017
Totalunternehmer: Gross Generalunternehmung, Wallisellen
Bauingenieur: Linsi + Deubelbeiss, Pfäffikon ZH
Landschaftsarchitekt: Hager Partner, Zürich
Bauphysik: Steigmeier Akustik + Bauphysik, Baden
Gebäudetechnik: T&P Troxler&Partner, Ruswil
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