Die Ravel Residence ist ein vielseitiger und auf Nachhaltigkeit angelegter Campus für 800 Studenten. Mitten in Amsterdam gelegen, wurde er von John Bosch vom renommierten Architekturbüro OZ so konzipiert, dass er der Ravel-Location nicht nur eine neue Identität gibt, sondern auch eine bessere Verbindung zum urbanen und kulturellen Klima der Stadt schafft.
Bilder: OZ Architekten
Was ist Studenten wichtig, was macht für sie ein gutes Leben aus? Natürlich muss das Leben, weil Studenten jung sind und erst am Anfang ihrer beruflichen Karriere stehen, in erster Linie bezahlbar sein. Weiter sind Studenten Vielseitigkeit und Flexibilität wichtig, sie wünschen sich einen optimalen Mix zwischen Leben und Arbeiten – und das alles am liebsten in einer grünen, doch gleichzeitig urban-dynamischen Umgebung.
Ravel Residence ist ein rezyklierbares Gebäude, das genau diese gewünschte Flexibilität bietet – da findet sich alles, was das Leben von Studenten angenehm macht: Von grosszügigen Gemeinschaftsräumen über ein Café, einen Lounge-Bereich bis hin zu speziellen Essräumen, in denen auch zusammen mit Gästen gekocht, gegessen und gefeiert werden kann. Weiter bietet die Studentenresidenz eine Wäscherei, einen grossen Veloraum, einen attraktiv gestalteten Innenhof sowie ein Basketballfeld auf dem Dach. Sogar an eine Arztpraxis wurde gedacht – dank ihr haben Ärzte aus der Umgebung die Möglichkeit, die Studenten vor Ort zu betreuen.
Architekt John Bosch wurde gebeten, an der Seite der Antonio Vivaldistraat einen Eingang zu platzieren und ein Konzept zu kreieren, welches insbesondere die Ecke zur De Boelelaan belebt. Indem er an ausgewählten strategischen Punkten eine Reihe von Wohneinheiten durch Räume ersetzte, die für andere Zwecke genutzt werden, und er ausserdem viel Wert auf die Gestaltung der öffentlichen Räume legte, konnte dieses Ziel erreicht werden – der besondere Mix führte zu einer deutlichen Belebung der Umgebung.
Wir Architekten müssen aber sicher flexibler planen, wenn wir die Chance packen wollen, das Wachstum von Städten über die Zeit hinweg organischer zu gestalten.
John Bosch, OZ Architekten
OZ, AMSTERDAM
OZ ist ein international tätiges Architekturbüro mit Sitz in
Amsterdam, das über eine 25-jährige Erfahrung im Umgang mit
anspruchsvollen Projekten und insbesondere der Entwicklung intelligenter
Lösungen im Bereich Design verfügt. Der Architekt John Bosch ist als
Partner bei OZ tätig.
www.ozarchitect.nl
Wie ist OZ zu diesem Auftrag gekommen?
John Bosch: Die Abteilung Zuidas – Zuidas bezeichnet die “südliche Achse” der Stadt Amsterdam, ein Gebiet zwischen dem Zentrum und dem Flughafen Schiphol – der Stadt Amsterdam plante, in der Nähe der Kreuzung zwischen der De Boelelaan und der Antonio Vivaldistraat, im Süden Amsterdams, einen grösseren temporären Campus zu errichten. Nach einem Wettbewerb wurde Student Experience ausgewählt – der Beitrag von OZ umfasste dabei das Design-Konzept.
Wie war die Aufgabenstellung formuliert?
Das Briefing forderte den Bau einer temporären Einrichtung für Studenten – mit zwischen 600 und 1’000 Wohneinheiten und für eine Zeitspanne von 12 Jahren. Die einzige weitere Anforderung, die gestellt wurde, betraf die Schaffung von 1’200 Abstellplätzen für Velos – eine Eigenheit, die in den veloverrückten Niederlanden natürlich wichtig ist. Die Fläche lag zwischen grossen Bürogebäuden, sodass wir uns schon bald einmal mit der Frage beschäftigen, wie wir in dieser Umgebung etwas kreieren konnten, das die Studenten begeisterte – und den Ort gleichzeitig beleben konnte, denn diese Ecke der Stadt zeichnete sich bis dato noch nicht durch eine besondere Lebendigkeit aus. Die Herausforderung bestand für uns also im Wesentlichen darin, innerhalb des Rahmens einer gebauten Umgebung etwas zu schaffen, das zu einer Belebung führte.
Was ist denn das Besondere an diesem Gebäude?
Der Setup mit den 800 Wohneinheiten ist auf jeden Fall sehr kompakt. Mit dem System, welches damals möglich war, konnten wir nicht höher als 5 Stockwerke bauen. Ausserdem mussten alle Einheiten die Anforderungen “normaler” Wohnungen erfüllen – Anforderungen, die wesentlich strikter sind als diejenigen, welche an temporäre Strukturen gestellt werden. Weil die Lärmproblematik knifflig war, entschieden wir uns für eine Doppelfassade, die wir aus Glas und rezyklierbarem Plastik entwickelten. Dies gab uns die Möglichkeit, etwas mal auf eine andere Art anzupacken. Rezyklierbare Materialien waren uns wichtig, denn eines Tages wird dieses Gebäude ja wieder abgebaut werden. Die Tatsache, dass das Gebäude nur für eine relative kurze Zeitspanne an diesem Ort stehen wird, erlaubte uns auch, das Ganze etwas ungewöhnlicher und aufregender zu gestalten. Last but not least musste es innerhalb einer sehr kurzen Zeit – einem Jahr – konzipiert und gebaut werden.
Welche Nutzungen beherbergt das Gebäude und wie ist der Bau in den städtebaulichen Kontext eingefügt?
Wie sehen die Vernetzungen mit dem Quartier aus? Wie bereits erwähnt, handelt es sich beim Gebiet, das überbaut werden sollte, um eine typische Bürolandschaft aus den Achtzigerjahren, das auch zwei grosse Hotels umfasst. Eine gesunde Lebendigkeit hat sich in dieser Ecke allerdings nie entwickelt; möglicherweise wurde dieses Ziel vorher aber auch nie angegangen. Uns war es sehr wichtig, nicht nur einfach 800 Wohneinheiten für Studenten hinzustellen, sondern wir wollten mehr erreichen – wir wollten dafür sorgen, dass sich die Studenten in ihrem Campus wohl fühlten; denn nur wenn sie sich wohl fühlten, würden sie auch für Leben sorgen. Und so setzten wir auf einen Mix – ein Restaurant wurde eingeplant, ein Café, aber auch ein kleiner Laden. All diese Einrichtungen sollten dabei nicht nur von den Studenten genutzt werden, sondern auch von all den Menschen, welche in den umliegenden Bürogebäuden arbeiteten. Für die Studenten planten wir zudem noch eine Wäscherei ein, Räume, in denen sie ausspannen und sich erholen konnten, sowie zwei grosse Essräume mit integrierten Küchen, die auch für Parties genutzt werden konnten. Auf dem Dach des Gebäudes sind zudem eine kleine urbane Farm und ein Basketballfeld zu finden; notabene so etwas wie die Trademark von Student Experience. Indem wir für die Velos innerhalb des Gebäudes Raum schufen, konnten wir zwei exotische Innenhöfe einrichten. In ihnen stehen unter anderem auch Palmen, was den Studenten eine Art Feriengefühl vermittelt soll.
Wurde die modulare Bauweise vom Auftraggeber vorgegeben oder wie ist es dazu gekommen? Wer war der Treiber dieser Bauweise? Und welches waren die Gründe dafür?
Das Projekt wurde als eine Kooperation zwischen Student Experience – sie traten als Entwickler und Betreiber auf – Jan Snel als Spezialist und Hersteller für modulare Bauten und OZ Architekten gestartet. Initiiert wurde es durch Johan Verweij und Roy Mungra, die beiden Inhaber von Student Experience. Das Ziel war es, ein neues Konzept für studentisches Wohnen zu entwickeln – mit modularen Einheiten, die sowohl temporär als auch permanent genutzt, und innerhalb einer relativ kurzen Zeit auch wieder abgebaut werden konnten. All dies geschah übrigens mitten in der grössten Immobilienkrise, die unser Land je erlebt hat – die Investitionen in Immobilien lagen zu jener Zeit bei praktisch null. Entscheidend dafür, dass dieses Projekt umgesetzt wurde, war wohl die Tatsache, dass die modularen Einheiten auch wieder verschoben werden konnten. Nach einer zwölfjährigen Nutzung kann das ganze Gebäude an das Unternehmen, welches es gebaut hat, zurückverkauft werden – und dieses führt es dann einer neuen Nutzung zu. Klar, dass sich dieses Projekt mit 800 Wohneinheiten für Studenten bestens dafür eignete, um ein neuartiges System auszuprobieren – entsprechend wurde es auch finanziert und umgesetzt.
Wie ist das Gebäude konstruiert und materialisiert?
Alle Einheiten wurden in den Werkstätten von Jan Snel gebaut. Andere Elemente wie zum Beispiel Treppen oder Lifte, der Veloraum oder die Gastro-Einrichtungen, wurden vor Ort umgesetzt. Die Doppelfassade ist ausgesprochen leichtgewichtig und wurde in kleinen Elementen produziert, die dann von Hand zusammengestellt und montiert wurden. Die Produktion der Einheiten erinnert mich stark an die Fertigung von Fahrzeugen – die verschiedensten Produkte wie zum Beispiel Betonbö- den, Stahlpfeiler, aber auch vorfabrizierte Badezimmer und Küchen werden aus der ganzen Welt angeliefert, um in einer grossen Fertigungshalle zusammengestellt zu werden; die Rate lag übrigens bei 10 Einheiten pro Tag. Um die Kosten möglichst tief halten zu können, bestand übrigens kein Konzept bezüglich der Materialisierung; meist wurde ganz einfach auf das Produkt mit dem besten Preis-/Leistungsverhältnis gesetzt – so sollten zum Beispiel die Badezimmer ursprünglich aus China kommen, doch schlussendlich wurden aus Qualitätsgründen doch lokale Anbieter berücksichtigt. Die Küchen kommen aus Deutschland, Betonböden sorgen für die nötige Stabilität und Lärmdämmung, in die Wände verbauten wir leichte Stahlträger. Stahl haben wir auch in die Strukturen, welche für die Notausgänge und Liftanlagen nötig sind, verbaut, was dazu führt, dass dieses Gebäude noch etwas kompakter ist.
Wie und wo wurde das Gebäude realisiert? Kannst Du über eure Erfahrung mit dem Kontraktor sprechen?
Die Einheiten wurden in den Fertigungshallen in Montfoort, einem kleinen Ort in der Nähe von Utrecht, gebaut. Die Grösse der Einheiten durfte dabei eine Breite von 3,5 Meter und eine Länge von 7 Metern nicht überschreiten – sonst hätten wir sie nicht per Lastwagen nach Amsterdam führen können; eine Fahrt von rund 45 Minuten. Trafen die Einheiten auf der Baustelle ein, wurden sie von einem grossen Kran mit einer speziellen Hebevorrichtung platziert. Den Aufbau haben wir filmisch dokumentiert – sich diesen Film mal anzusehen, lohnt sich! Für uns Architekten war es übrigens das erste Mal, das wir mit diesem System arbeiteten. Es verlangte von uns von Beginn an einen komplett anderen Weg – so arbeiteten wir einerseits sehr eng mit Student Experience zusammen, um mit dem Bauherrn zusammen ein neuartiges Wohnkonzept zu entwickeln, das perfekt zu den Bedürfnissen von Studenten passte. Andererseits mussten wir ganz genau verstehen, wie der Bauprozess ablief – was uns zu einer sehr engen Zusammenarbeit mit Jan Snel führte. Das heisst, dass wir uns als Architekten mit einem völlig neuen Bauprozess auseinandersetzen mussten – und dies unter Zeitdruck. Für uns lag der Schlüssel zum Erfolg in diesem ganz besonderen Projekt letztlich auch in der Kooperation.
Habt ihr eure Erfahrungen im Umgang mit modularen Bauten bereits anderswo angewendet? Und inwiefern hat das Projekt eure Arbeitsweise beeinflusst?
Um mit der zweiten Frage zu starten: Ja und nein! Modulare Einheiten eignen sich für bestimmte Situationen ganz hervorragend – wenn viele Räume der gleichen Art in einer nicht zu hohen Struktur von bis zu, sagen wir, fünf Stockwerken, umgesetzt werden sollen. Andere Formen mit weniger Wiederholung sind ebenfalls möglich, doch können diese dann sogar teurer werden als fixe Gebäude. Nachdem heute wieder sehr viel mehr Geld ins Immobiliengeschäft fliesst, stellen wir fest, dass modulare Bauten nach wie vor in erster Linie für temporäre Lösungen bevorzugt warden – die Aspekte des Tempos und der Nachhaltigkeit stehen nicht im Vordergrund. Mich persönlich fasziniert an modularen Systemen der Aspekt der Mobilität. Dank ihr vermögen Städte sehr schnell auf veränderte oder auch spezifische Bedürfnisse von Unternehmen oder Gemeinschaften zu reagieren – alle möglichen Arten von Gebäuden können rasch für alle möglichen Arten von Nutzungen erstellt werden. Wir Architekten müssen aber sicher flexibler planen, wenn wir die Chance packen wollen, das Wachstum von Städten über die Zeit hinweg organischer zu gestalten.Und ja, wir setzen auch in anderen Projekten auf modulare Systeme. Leider sind das aber meist Projekte, in denen es um studentisches Wohnen geht – angesichts all der Möglichkeiten, die modulares Bauen bietet, ist also noch viel Überzeugungsarbeit gefragt!
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