Der Natural Pavillon, der 2022 anlässlich der Gartenschau Floriade in Almere (NL) errichtet wurde, besteht zu 95 Prozent aus Recycling-Material und nachwachsenden Rohstoffen. Als Bürogebäude hat er nun ein zweites Leben erhalten.
Bilder: ScagliolaBrakkee
Für den Vorzeigebau wurde nicht nur null Beton verwendet, sondern auch zahlreiche Elemente und Materialien anderer Bauprojekte wiederverwendet.
Wohl mögen «tausend rote, tausend gelbe Tulpen» und viel andere Blumen an der Floriade erblühen. Doch tun sie das nicht jeden Frühling, wie es im bekannten Schlager «Tulpen aus Amsterdam» heisst: Die Welt-Gartenbauausstellung Floriade findet nämlich nur alle zehn Jahre statt.
Die Expo 2022 ging denn auch nicht in Amsterdam, sondern in der rund 40 Kilometer davon entfernten Gemeinde Almere über die Bühne. Dort konnten Gartenfreunde und Naturinteressierte während sechs Monaten den Duft und die Farben von Blumen, Pflanzen, Gemüse und Obst einsaugen. In Länderpavillons präsentierten verschiedene Nationen ihre Garten- und Pflanzenkulturen sowie lokale Innovationen, um unsere Städte grüner zu machen.
Der Naturpavillon ist ein Kreislaufbau
Der Gastgeber setzte mit seinem Länderpavillon ein deutliches Zeichen. Er zeigt auf, wie Flora und Fauna in die gebaute Umwelt eingebettet werden können, wie die biologische Vielfalt in der Stadt verbessert werden kann und wie Gebäude zur Regenwasserspeicherung und Kühlung in Städten beitragen können.
Entworfen hat den luftig-leichten, dreigeschossigen Würfel das Architekturstudio DP6 aus Delft. Es stellte dafür kubische Holzmodule mit einer Kantenlänge von 3,5 Metern neben und aufeinander. Die Einheiten statteten die Architekten flexibel und entsprechend ihrer Nutzung mit biobasierten und wiederverwendeten Materialien aus: mit Holzböden, Wänden, Fenstern oder spezifischen Materialien, um etwa akustische oder brandschutztechnische Anforderungen zu erfüllen. Die Module umrahmen ein Atrium, das von einem Sheddach geschützt wird. Das Dach ist – man hätte es nicht anders erwartet – begrünt, mit einer Photovoltaik-Anlage bestückt und hält auf einer Fläche auch Regenwasser zurück. Aus dem Innenhof führen drei seitlich geschlossene Holztreppen auf die verschiedenen Geschosse.
Lokal, wiederverwendet, rezykliert
Für den Vorzeigebau wurde nicht nur null Beton verwendet, sondern auch zahlreiche Elemente und Materialien anderer Bauprojekte wiederverwendet: So steht er auf in den Boden gerammten Holzpfählen, und die 800 Stahlknoten, die die Holzmodule zusammenhalten, sind aus Recyclingmaterial gefertigt. Die 12,5 Tonnen Glas für die Scheiben stammen aus einem Regierungsgebäude in Den Haag, und für die Holzständerkonstruktion im Inneren der Wände wurden Rahmen ausgemusterter Dachfenster verwendet. Die Profile des Tragwerks sind aus Douglasienholz, das aus lokalen Wäldern stammt, die Geschossdecken sind aus Brettsperrholzplatten gefertigt.
Welche Vielfalt an biologischen Materialien als Wandverkleidung dienen kann, zeigt sich im Innern: Alle Innenwände bestehen aus Reststoffen aus der Landwirtschaft und dem Gartenbau, etwa Stroh, Flachs oder Stängel von Paprikapflanzen und Spinatsamen.
Mit einem Minimum an Technik gelang es, ein angenehmes Raumklima zu schaffen: Die Holzlamellen sind parametrisch für ein optimales Gleichgewicht zwischen Sonnenlicht und Temperatur ausgelegt. So entsteht gleichzeitig auf jeder Seite des Würfels eine einzigartige Fassade. Die selbstregulierenden Glaslamellen an den Fassaden sorgen zusammen mit den Dachfenstern für eine natürliche thermische Belüftung und Kühlung. Die hölzernen Sägezahndächer lassen sanftes Nordlicht in das Atrium fallen, wodurch wenig künstliches Licht nötig ist.
Umgenutzt für ein zweites Leben
Länderpavillons sind Aushängeschilder für die jeweiligen Nationen und ihre Kreativwirtschaft. Deshalb wird oft viel Energie, Geld und Detailliebe in ihre Entwicklung gesteckt. Dem Typus Ausstellungspavillon ist es aber auch beschieden, nur einen temporären Zweck zu haben. Bei vielen Pavillons wird heute eine Weiternutzung mitgedacht, es ist aber leider noch keine Selbstverständlichkeit, dass die aufwendig entwickelten Bauten letztlich ein zweites Leben erhalten. Umso erfreulicher war der Entscheid Ende 2022, dass der Naturpavillon nicht nur wiederverwendet wird, sondern sogar an Ort und Stelle bleiben darf. Auf dem Floriade-Areal wird in den nächsten Jahren ein neues Wohngebiet sowie der Universitäts- und Forschungs-Campus Telvo entstehen. Expertinnen und Wissenschaftler sollen dort zu Fragen rund um die Nahrungsmittelversorgung und die urbane Landwirtschaft forschen. Der Naturpavillon ist für diesen Zweck zu einem Büro- und Tagungspavillon umgenutzt worden.
The Natural Pavillon, Almere, 2022
Bauherrschaft: Noordereng Groep (i.o.v. Floriade Expo)
Architektur: DP6 architectuurstudio, Delft
Projektentwicklung: Noordereng Groep
Tragwerksplanung, Bauphysik, Akustik: Oosterhoff – ABT
Holzbauingenieure: Oosterhoff – Adviesbureau Lüning
TGA-Planung: Oosterhoff – HE adviseurs
Projektsteuerung: Hupperts Architectural Engineering
Landschaftsarchitektur: Studio Nico Wissing
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